: Ionesco, Tardieu & die Ursonate von Schwitters
Absurdes im Theatersaal der Universität ■ SCHERZO
(die Themen sind karakteristisch verschieden
vorzutragen)
Lanke trr gll
(munter)
pe pe pe pe pe
Ooka ooka ooka ooka
(aus der Ursonaten-Partitur von Kurt Schwitters)
„beachten sie das schnelle
Aufeinanderfolgen der drei Themen
Lanke trr gll
pe pe pe pe pe
und Oaka, die voneinander sehr verschieden sind, wodurch der Charakter des Scherzo ensteht, die bizarre Form. Lanke trr gll ist unwandelbar und kehrt eigensinnig taktmäßig wieder...“ Diese Erklärungen zeigen vor allem Schwitters Widerstand gegen eine Beliebigkeit der Ausführungen. Um so mehr als ihm bewußt ist, daß die Angaben lückenhaft sind, denn durchgängige Hinweise etwa zum Rhythmus oder zur Tonhöhe fehlen. Vom Interpreten fordert er Fantasie und ernste Arbeit. Das Ensemble härtz zeigt sich nicht nur in seinem Namen in der Nähe des Schwitterschen merz.
In zweijähriger Arbeit ist dem Ensemble eine Interpretation gelungen, die Schwitters Forderungen nach schöpferischem Mitdenken gerecht wird . Die Fantasie, die bei der Anlage der ganzen Sonate durch das Ensemble, aber auch in vielen Details hörbar wird, wird erst durch die Genauigkeit der formalen Anlage zu einem wesentlichen Bestandteil des ganzen Werkes. Die Präzision der Ausführung ermöglicht dem Publikum ein Verständnis der Ursonate, das über die Freude an witzigen Details hinausgeht.
So war es jedenfalls am Donnerstagabend im gut besuchten Theatersaal der Universität. Das anfängliche Gelächter, das „Rinn zekete und tää“ durch gedankenlos schöpferisches hihi und hahaha ergänzte, wich mehr und mehr der Faszination durch die Ursonate selbst und der Bewun
derung für die Leistung des Ensembles härtz. Riesiger Beifall. Eingebettet war die merzkunst der 20er Jahre von zwei Einaktern französischer Avantgardisten der 50ger Jahre. „Sie allein wissen es“ von Jean Tardieu erzählt einen dramatischen Ausschnitt eines Geschehens, „Ich werde mich nicht erwischen lassen“, sagt Hektor gedankenschwer. Wobei er sich nocht mehr erwischen lassen will, bleibt verborgen.
Jeder im Publikum hatte die Möglichkeit, sich einen eigenen Rahmen für das Geschehen zu schaffen, oder aber sich sinnlos dem Geschehen auf der Bühne hinzugegeben. „Wie schön, daß Sie gekommen sind!“ - „Wieso? Ich hatte doch garnicht die Absicht zu kommen.“ - Ob es tifgründig wurde, lag an jedem selbst. Die Inszenierung von Norbert Ellrich hatte den leichten Biß, der anregt, aber ein Mitdenken nicht erzwingen mag. Sehr viel direkter geht Eugene Ionesco in seinem Frühwerk „Die kahle Sängerin„vor. Am Beispiel zweier englischer Mittelstandspaare zeigt er die Unmöglichkeit einer verbalen Kommunikation. Es wird viel geredet, Reste von Kommunikation finden aber nur in Gesten und kleinen Bewegungen statt. Die Gesellschaftskritik ist sehr deutlich, an einigen Stellen mag sie seit den 50er Jahren auch etwas Staub angesetzt haben, aber es finden sich noch immer genügend Schuhe, die man sich selbst anziehen kann. Die Inszenierung durch das Theaterkollektiv hält sich sehr genau an Ionescos Vorlage. Sie überzeugte durch spannungsreichen Wechsel im Tempo. Leere folgte auf Redundanz, beziehungsloses Gerede eskalierte zur dramatischen Auflösung der Sprache. Die SchauspielerInnen, die teilweise in beiden Stücken und auch in der Ursonate mitgewirkt haben, zeigten neben erwarteten auch bemerkenswerte Leistungen. Viel Beifall auch nach den beiden Stücken. Andreas Lieber
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