: Kriegsrecht nach Militärputsch im Sudan
Verbleib von Präsident Sadik el Mahdi unbekannt / Hintergründe des Umsturzes zunächst unklar / Wo steckt der 1985 ebenfalls durch das Militär gestürzte Staatschef Numeiri? / Auswirkungen des Militärputsches auf den gerade in Gang gekommenen Friedensprozeß offen ■ Aus Nairobi Christa Wichterich
„Eine Revolution im Namen der Veränderung“ nannte der sudanesische Staatsrundfunk die gestrige Machtübernahme der Militärs unter Führung von Brigadegeneral Omar Hassan in Khartum. Der Putsch sei notwendig geworden, weil die Parteien das Land „in jeder Hinsicht heruntergewirtschaftet hätten“.
Die Verfassung wurde außer Kraft gesetzt und der Ausnahmezustand ausgerufen. In den Straßen der Stadt zogen Soldaten auf, mehrere Minister sollen verhaftet und führende Politiker unter Hausarrest gestellt worden sein. Der Verbleib von Präsident Sadik el Mahdi ist unbekannt. Ob bei dem Putsch Menschen ums Leben gekommen sind, wurde zunächst nicht bekannt.
Unbekannt ist auch der Aufenthaltsort von Gaafar Numeiri, des im April 1985 durch Militärs gestürzten Staatschefs. Er wurde von der bisherigen Regierung für den Putschversuch vom 19.Juli verantwortlich gemacht, nach dessen Scheitern mehrere hohe Armeeoffiziere und zahlreiche Zivilisten verhaftet wurden. Numeiri selbst hatte eine Vaterschaft für den fehlgeschlagenen Coup dementiert, aber gleichzeitig laut getönt, daß er in wenigen Wochen die Macht in Khartum wieder übernehmen werde. Er verließ sein Kairoer Exil vor einigen Tagen, um, wie er ankündigte, von einem ungenannten afrikanischen Land aus sein Comeback einzufädeln. Demonstranten hatten in den letzten Tagen mehrfach seine Rückkehr gefordert.
Noch Ende Februar hatten Militärsprecher es als „nicht im Interesse der Armee“ bezeichnet, die Verantwortung für eine Lösung der politischen und wirtschaftlichen Probleme im Land zu übernehmen. Allerdings hatte die Armeeführung damals Sadik el Mahdi unter Druck gesetzt, seine Regierung umzubilden und Friedensverhandlungen über eine Beendigung des Bürgerkriegs im Südsudan aufzunehmen.
Dieser Friedensprozeß ist durch das erstmalige Zusammentreffen von Regierungsvertretern mit der Befreiungsarmee SPLA in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba vor drei Wochen endlich einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Man einigte sich auf den 19.September als Termin für eine verfassungsgebende Konferenz, die unter Beteiligung aller Parteien über die Forderung der Rebellen nach Aufhebung des islamischen Rechts und politische Reformen zugunsten des bislang benachteiligten Südens beraten soll. Am 4.Juli wollten sich die beiden Bürgerkriegsparteien wieder in Addis Abeba treffen. Die Auswirkungen des Putsches auf diesen Friedensprozeß sind gegenwärtig nicht zu übersehen, weil zur Zeit unklar ist, welche der zahlreichen Fraktionen innerhalb der Armee hinter dem Coup steckt.
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