: Wundenlecken beim SFB
■ Die AL lud zu einem Hearing über die Zukunft des Sender Freies Berlin
„Das Funktionieren jeglicher Führungsstruktur hängt von den Führungspersönlichkeiten ab, nicht von der Struktur.“ Solch weise Worte sprach Karola Sommerey, Programmdirektorin von Radio Bremen, mitnichten nach einem Besuch der führungs -kollektiv-gebeutelten taz, sondern anläßlich eines Hearings mit dem vielversprechenden Thema „Rundfunkdemokratie im SFB“. Die Fraktion der Alternativen Liste im Rathaus Schöneberg hatte am vergangenen Freitag zu der Veranstaltung geladen, um ein in Medienfragen versiertes Podium und ein betroffenes Auditorium miteinander ins Gespräch zu bringen.
Und was jahrelange Querelen im schwerfälligen Sender nicht zustande brachten, der Coup eines taktisch nahezu genial agierenden Rundfunkrats hatte es kurz nach der Wahl des rot -grünen Senats geschafft: Mit der Ernennung des CSU-Freundes Günther von Lojewski zum Intendanten kam endlich die Gelegenheit, sich über den Laden, in dem man so vor sich hinarbeitet, Gedanken zu machen.
Um das eigene Handeln nicht in Frage zu stellen, ist es mittlerweile gesellschaftsfähig geworden, nach anderen Strukturen zu rufen. Also stand die Frage im Raum und auf der Einladung, ob die Rechte des Intendanten beschnitten werden sollen, oder ob gar eine kollektive Führungsstruktur die Lösung aller Probleme sei. In diesem Fall hätte die taz sicherlich gerne kompetenten Rat erteilt, aber sie wurde ja nicht gefragt. Oder sollte man vorsorglich diesen leidigen Rundfunkrat, der dem rot-grünen Senat das dunkle Wölkchen am Berliner Himmel serviert hatte, umstrukturieren. Beispielsweise indem man neue gesellschaftlich relevante Gruppen definiert und in den mächtigen Rat setzt. Und überhaupt, sollte nicht der gesamte Sender mit einem neuen Sendeauftrag versehen werden, auf daß auch ja niemand benachteiligt werde? Auch die ethnischen Minderheiten Lichtenrader Schwarzhörer und Kreuzberger Schwaben sollen sich schließlich nicht vernachlässigt fühlen.
Geradezu schwärmerisch berichtete besagte Karola Sommerey von ihrem Bremer kollegialen Führungsgremium. Jawoll, sie sagte kollegial statt kollektiv! Der Bremer Intendant sitze diesem Gremium lediglich vor und habe keinerlei inhaltliche Weisungsbefugnis. Die Programmdirektoren machen das Programm, das sie für richtig halten. Dürfte auch kein Problem sein, wenn es nur die richtigen Direktoren sind. Hanne Daum, Vorsitzende der IG Medien im SFB, hatte auch gleich mal im Rundfunkrat nachgefragt, ob so ein Modell vielleicht genehm sei. Doch die Räte waren offenbar in der Mehrzahl dagegen, mit dem Argument die Entscheidungen würden zu schwerfällig bei mehreren Entscheidungsträgern. Das gestand auch Frau Sommerey bedingt ein, allerdings wären dann die Entscheidungen auch standfester. Da nickten auch die anwesenden tazler aus gutem Grund mit den Häuptern: Bis sich unser Kollektiv mal einig ist, hat sich so manche Neuerung schon längst als Gewohnheit durchgesetzt. Ulrich Briefs, grüner Medienexperte, ganz Basis und Gewerkschaft, brachte es dann auch auf den Punkt: Alle müssen mitbestimmen. Der Mann hat eben nie in der taz gearbeitet.
Aber was auch immer an der Spitze des Senders zu verändern ist, darüber solle der Senat entscheiden, wurde gefordert. Mit Gesetzen, mit Richtlinien, auf jeden Fall schön sozialdemoalternapädagogisch.
Zuvor jedoch, da in der Berliner Regierung ebenfalls alles mehr oder weniger kollektiv diskutiert werden muß und daher seinen langen Marsch geht, könnte man sich doch einen neuen Lojewski-hinderlichen Rundfunkrat träumen. Anna Elmiger, Vorsitzende der Humanistischen Union, träumte sich so auch einen multikulturellen Haufen zusammen. Kaum eine gesellschaftliche Gruppierung fehlte in ihrer Liste, vorausgesetzt sie hat eine Satzung. Ohne Satzung kann man hierzulande eben nicht bestimmen, wer bestimmen darf. Nur die Pornografen fehlen, murmelte enttäuscht ein Ex-taz -Kollege. Der Vorschlag, doch überhaupt ein Radio-TV -Konsument Innen-Parlament einzurichten, stieß dann allerdings auch wegen allzuviel Masse auf einige Widerstände. Wer von den unzähligen Mitbestimmern hätte dann noch Kompetenz? Eine kleine Gruppe (vielleicht ein six-päck nach taz-Vorbild??), die schlagkräftig, einig und kompetent die Geschicke des Mediums lenkt, wäre viel effektiver, schlug Lutz Hachmeister, Leiter des Adolf-Grimme-Instituts und früherer 'Tagesspiegel'-Redakteur, vor. Nur, dies ein Einwand, aus welchen gesellschaftlich relevanten Gruppen sollen die wenigen Rundfunkräte kommen und wer definiert deren Kompetenz? Verhaltenes, aber erfahrenes Kichern in der taz-Ecke.
Diesmal war es Frau Sommerey, die einen Punkt fand, auf den sie die Debatte packen konnte: „Wenn gesellschaftlich relevante Kontrolle gewünscht wird, muß man mit der Inkompetenz leben.“ Da wußte dann auch niemand mehr etwas drauf zu sagen. Nur Alice Ströver von der AL bedankte sich nach acht Stunden Diskussion für dieses Gespräch und wies auf das vorbereitete Buffet hin. Wohin sich die Journaille auch trollte und dort ausmauschelte, was sie wollte, ob da nun irgendwo ein Intendant, ein Rundfunkrat oder ein six -päck sitzt.
Petra Dubilski
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