: SPD hält sich mit Kritik an Momper zurück
Berliner Sozialdemokraten zogen auf ihrem Parteitag eine erste Bilanz / Der Regierende Bürgermeister Walter Momper bekam nur mäßigen Beifall / Noch bleibt der Unmut der Parteilinken gegen seinen Führungsstil unterm Teppich / Momper nimmt die AL in Schutz ■ Aus Berlin Brigitte Fehrle
Der erste Parteitag der Berliner Sozialdemokraten nach der rot-grünen Regierungsbildung verlief in pragmatischer Langeweile. Wer erwartet hatte, daß die mehr als 200 Delegierten ihren Regierenden Bürgermeister und Landesvorsitzenden Walter Momper feiern würden, wurde enttäuscht. Der Beifall für Momper am letzten Samstag im ICC war pflichtgemäß, eher dürftig. In seiner Rede über die ersten 100 Tage Regierungsbeteiligung nach immerhin acht Jahren Opposition nahm Momper die Alternative Liste vor jenen in Schutz, die immer noch an ihrer Regierungsfähigkeit zweifelten. „Denken wir mal daran“, sagte er, „wie lange unsere eigene Partei in ihrer Geschichte dazu gebraucht hat.“ Gleichwohl gab er der AL erneut den Ratschlag, schnellstens ihre Strukturen zu verändern, um „entscheidungsfähiger“ zu werden. Das bisherige Ergebnis der rot-grünen Regierung an der Spree könne sich sehen lassen, zog Momper weiter Bilanz. Als Positivpunkt hob er die Verkehrspolitik hervor. „Visionen des ökologischen Stadtumbaus“ würden hier deutlich. Daß die neue Rolle als Regierungspartei auch den Sozialdemokraten Probleme bereitet, wurde in Mompers Rede nur am Rande deutlich. Er beschwor die „Dreisäulentheorie“. Partei, Fraktion und Regierung müßten stabil dastehen. „Keine Säule darf schwach werden, keine Säule darf zuviel Last tragen müssen.“ Eine Aussprache über Mompers erste Rede vor der Partei nach der Regierungsbildung und eine gemeinsame Diskussion der Delegierten über die veränderte Lage der Partei war nicht vorgesehen und wurde auch nicht eingefordert. Die Sozialdemokraten scheinen zufrieden darüber, daß sie wieder regieren dürfen. Die Parteirechte nimmt die AL in Kauf, solange sie sich als kooperativ erweist. Kritik kommt, wenn auch verklausuliert, von der Parteilinken. Insgesamt fünf Kreise hatten in Anträgen die Trennung von Amt und Mandat gefordert. Im Klartext: Walter Momper soll nicht gleichzeitig Regierender Bürgermeister und Landesvorsitzender sein. Dahinter verbirgt sich die Sorge, die Partei würde, wie das zu Regierungszeiten vor 1981 war, im Schatten der Regierung stehen ihr Profil verlieren und ihren Handlungsspielraum einbüßen. Daß diese Befürchtung nicht unberechtigt ist, dafür lieferte Momper auf diesem Parteitag selbst den Beweis. Jenseits seiner Rede griff er zweimal in das Geschehen ein - beide Male, um die Delegierten zu mäßigen. Und so wenig enthusiastisch er seine Bilanz vorgetragen hatte: Als es darum ging, den Delegierten die Leviten zu lesen, weil sie gewagt hatten, die Umsetzung der Arbeitszeit im gesamten öffentlichen Dienst zu fordern, wurde er leidenschaftlich. Sie sollten doch erst mal schauen, was der Senat schon alles geleistet habe, noch mehr zu fordern sprenge die Machbarkeit, tadelte Momper, der Regierende Bürgermeister. Momper, der Parteivorsitzende, so wurde ihm dann von der neuen stellvertretenden Landesvorsitzenden Monika Buttgereit vorgeworfen, hätte nicht die Aufgabe, die Partei zu zügeln, sondern daran zu arbeiten, „wo wir hinwollen“. Eine andere Delegierte sieht ihn in einem beständigen „Spagat“, und das sei für die Partei nicht gut. Doch die Linken in der Partei, die sich von dieser Trennung mehr Spielräume für Initiativen eines „rot-grünen Projekts“ erhofft hatten, brachen ein. Alle Anträge wurden vertagt.
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