Alliierter Kummerkasten hat Geburtstag

■ Über 240 BürgerInnen beschwerten sich im ersten Jahr / AL: Kein Ersatz für unabhängiges Gericht / Bürgerinitiativen ziehen negative Bilanz

Seit einem Jahr arbeitet die Alliierte Beschwerdestelle, bei der BerlinerInnen ihre Klagen über alliierten Lärm, Staub und Flurschaden loswerden können. Etwa 240 Beschwerden und „ernstzunehmende Anfragen“ hat der Sekretär der Beschwerdestelle, George Humphrey, bisher gezählt. Themen waren nach seinen Angaben überwiegend Belästigungen durch den Lärm von alliierten Flugzeugen, LKWs und Panzern. Rund 60 Eingaben wurden endgültig beschieden, wobei allerdings nicht zu erfahren war, ob positiv oder negativ.

Der AL-Abgeordnete Albert Statz bewertet dagegen das Wirken der Beschwerdestelle als unbefriedigend. „Entweder werden die ökologischen Belastungen einfach als 'militärische Notwendigkeit‘ gerechtfertigt oder allenfalls fragwürdige Abhilfemaßnahmen in Aussicht gestellt.“ So würden zum Beipiel Lärmschutzwände an Schießanlagen kaum eine Entlastung bringen. Die AL kritisiert vor allem die fehlenden Kompetenzen der Behörde. Die Beschwerden über „Handlungen oder geplante Handlungen der Alliierten“ werden nur als nicht bindende Empfehlungen an die Kommandantur oder die Stadtkommandanten weitergegeben. Einen Rechtsbehelf gegen deren Entscheidungen gibt es nach wie vor nicht. Der alliierte „Kummerkasten“ könne keinesfalls Ersatz für das unabhängige Gericht sein, das der SPD/AL-Senat anstrebe, betonte Statz. Bis dahin könne den Anwohnern alliierter Anlagen nur geholfen werden, indem weniger Panzer gefahren, weniger geflogen und geschossen werde. Nach Humphreys Einschätzung hat die Existenz seines Büros jedoch einen spürbaren Einfluß auf die alliierten Behörden ausgeübt. Die BerlinerInnen forderte er auf, die Beschwerdestelle in allen Bereichen, in denen die Alliierten eine Rolle spielen, ernst zu nehmen.

Das fällt einigen Bürgerinitiativen schwer: Anne Schmid von der BI Flughafen Tempelhof hatte auf mehrere Beschwerden über den Fluglärm zweimal den Bescheid erhalten, der Vorgang sei zur Kenntnis genommen worden und habe für die weitere Prüfung ein Aktenzeichen erhalten. „Uns erscheint diese Stelle nichts weiter als ein Puffer zu sein.“ Auch mehrere Tempelhofer BürgerInnen, die sich einzeln an die Beschwerdestelle gewandt hätten, fühlten sich von den nichtssagenden Antworten „verarscht“. Direkte Reaktion seitens der Alliierten erfuhr Anne Schmid bislang nur einmal: als Entschädigung für die gesteigerte Lärmbelästigung anläßlich des 40jährigen Jubiläums der Rosinenbomber schickte der Flughafenkommandant von Tempelhof einen Stapel Schallplatten mit Originalreden zum Thema Luftbrücke.

Ähnliche Erfahrungen kann die Bürgerinitiative Lichterfelde Süd vorweisen. Dort leiden Anwohner seit Jahren unter den Schießübungen der US-Truppen und dem Training zur Aufstandsbekämpfung in der Geisterstadt Parks Range. Auch hier reagierte die Alliierte Beschwerdestelle mit Vertröstungen unter Angabe des Aktenzeichens. Daß es hier im Vergleich zum Vorjahr ruhiger geworden ist, führt BI -Sprecher Cibis nicht auf die Beschwerdestelle zurück. „Das liegt wohl eher an der allgemeinen Weltlage - im allgemeinen Gorbi-Fieber sind die Amerikaner jetzt vorsichtiger, um sich nicht weitere Sympathien zu verscherzen.“

anb