: Moby Dick trotzt der Ticonderoga
Greenpeace-AktivistInnen potestieren vor Schweden gegen US-Kreuzer mit Atomwaffen an Bord / Polizei gewährt Kriegsschiff Einlauf in den Stockholmer Hafen / Greenpeace-Leute verhaftet, Schlauchboot „Moby Dick“ beschlagnahmt ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff
Am Schlepptau von Bugsierbooten wird der US-Kreuzer „Ticonderoga“ an seinen Kaiplatz am Stockholmer Hafen manövriert. An der Ankerkette hängt ein finnischer Greenpeace-Aktivist, Besatzungsmitglieder des Atomwaffenkreuzers versuchen, den Störenfried mit Wasser aus Feuerwehrschläuchen herunterzuspritzen. Erst kurz vor dem Anlegen gibt er auf und läßt sich ins Wasser fallen.
Die Leute vom Greenpeace-Schlauchboot fischen ihn aus dem Wasser. Zusammen mit anderen Schlauchbooten und etwa 50 Freizeitbooten war am Sonntag nachmittag und abend - wenn schon nicht das Anlegen der „Ticonderoga“ verhindert - so doch zumindest ein Zeichen des Protests gesetzt worden. Die Aktion richtete sich gegen den Besuch eines Kriegsschiffes, das aller Wahrscheinlichkeit nach Atomwaffen an Bord hat und damit gegen schwedisches Recht verstößt.
Die schwedische Regierung wollte sich - wie ähnlichen vorangegangenen Fällen - nicht „unfreundlich“ verhalten und hat den Flottenbesuch gutgeheißen, obwohl es keine Zusicherung der Atomwaffenfreiheit gab und sich eine Reihe von Hafenstädten zur atomwaffenfreien Zone erklärt haben.
Welche Aktionen die zwölf Frauen und Männer an Bord von „Moby Dick“ planten, war bereits am Sonntag in den Zeitungen zu lesen. Die Polizei konnte sich also gut auf die Greenpeace-Aktivitäten einstellen und besorgte sich als erstes einen Beschlagnahmebeschluß der Staatsanwaltschaft betreffend „Moby Dick“. Gleichzeitig mit dem Einlaufen der „Ticonderoga“ in die Schären vor Stockholm enterte die Besatzung eines Polizeiboots das Greenpeace-Schiff, nahm es an die Kette und verhaftete die noch an Bord befindlichen fünf Besatzungsmitglieder. Vorwurf: Versuchte Sabotage des Schiffverkehrs.
Die Greenpeace-Schlauchboote aber waren schneller als Polizei- und Küstenwachboote. Trotz ständiger Versuche der sogenannten Ordnungshüter, sie mit teilweise äußerst gefährlichen Manövern abzudrängen, konnten die UmweltschützerInnen sich immer wieder vor den Bug der „Ticonderoga“ setzen. Ohne Rücksicht auf die Gefährdung der Schlauchbootbesatzungen hielt der Atomwaffenkreuzer Kurs und Geschwindigkeit bei.
„Was ist ein Leben gegen die Tausende, die von diesem Kriegsschiff bedroht werden.“ Mit solch markigen Worten verteidigt der schwedische Greenpeace-Sprecher Magnus Furugard jene spektakuläre Aktion, die Teile der schwedischen FriedensfreundInnen doch sehr verschreckt hatte: Vier Greenpeace-Leute, darunter eine Frau aus der BRD, hatten sich darauf vorbereitet, mit ihren eigenen Körpern die „Ticonderoga“ zu stoppen. Sie wollten sich vor dem Bug des Atomschiffes aus den Schlauchbooten fallen lassen. Wegen des massiven Polizeieinsatzes kam es aber nicht dazu.
Wozu es statt dessen kam, waren die bekannten waghalsigen Manöver der schnellen Greenpeace-Boote und ihrer „Widersacher“, der die „Ticonderoga“ eskortierenden Polizei und Küstenwachboote. Im letzten Jahr war es im dänischen Alborg tatsächlich einem US-Kriegsschiff gelungen, in den Hafen einzulaufen. Doch in Stockholm ist es wie schon vor zwei Wochen im Großen Belt mit dem US-Schlachtschiff „Lowa“: der Befehlshaber des US-Schiffes nimmt keine Rücksicht auf das, was sich vor dem Bug seines Schiffes abspielt.
Der „Ticonderoga“ wurde schon zum zweiten Mal in Schweden ein solch aufwendiger Empfang bereitet. Der erste Besuch des Schiffes 1985 in Göteborg war ebenfalls unter Protestdemonstrationen vor sich gegangen. „Wir werden es jedesmal wieder versuchen“, versichert Magnus Furugard.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen