: TORF WELTENDE
■ „Koma House“ - eine Performance der Gruppe „Magnetische Felder“
Ein weißgeschminkter Kopf, der aus einer Kiste guckt, begrüßt die Zuschauer im „Koma House“. Er gleicht einer Wahrsagemaschine vom Jahrmarkt, die gegen Einwurf von Geldstücken über das Schicksal orakelt. Doch hier kreischt er wie ein exotischer Vogel und prophezeit damit höchstens den Zustand seiner eigenen Verdauungsorgane.
Anfangs könnte man sich in ein Gespensterschloß versetzt glauben, in dem geisterhafte Schatten ein gruseliges Mahl zelebrieren und Schabernack treiben. Doch bald ist der Ort des Geschehens allein in die Familiengruft verlegt. Schwarze Plastikplanen bergen bewegungslose Körper. Der einzig noch handlungsfähige Spieler schneidet Fenster für die Köpfe hinein und bläst die Leblosen an: sie flattern wie substanzlose Schatten. Aber wie sich dann die Zombies wieder aufrichten und in ungelenker Motorik torkeln, wie sie unfähig bleiben, einander wahrzunehmen oder miteinander zu kommunizieren, wie sie gebannt auf die Berührung durch irgend etwas von außerhalb warten und wie sie sich schließlich in den Zustand der Sprachmächtigkeit zurückbuchstabieren: das ist eine der möglichen Geschichten, die sich aus ihrem Bilder- und Bewegungstheater lesen läßt. Wenn die Zombies wieder zu reden beginnen und den Menschen gleichen, fangen sie an zu streiten. „I want to say something about my political opinion“, setzt eine Spielerin ein, und ein anderer winkt den Beleuchtern, jetzt das Licht abzudrehen. Theateralltag einer freien Gruppe wird zum Gleichnis für die Unfähigkeit zur Auseinandersetzung.
„Die magnetischen Felder“ entwickeln ihre surrealen und manchmal grotesk komischen Bilderstoffe aus Improvisation und suchen eine Visualisierung des „kollektiven Unbewußten“. Dabei wollen sie „nicht nur unterhalten“, sondern auch „provozieren“. Doch ihre Bilder von Weltende und Menschwerdung, die in dieser Reihenfolge eine ewige zwanghafte Wiederholung des katastrophalen Ausgangs der Geschichte nahelegen, bleiben ein wenig vage und allgemein und belasten mehr als daß sie provozieren. Es fehlt der Performance an einem übergreifenden Spannungsbogen und strukturierendem Rhythmus.
Vielleicht gelängen der Gruppe präzisere Bilder und größere Suggestion, wenn sie sich mehr auf die kleinen subjektiven Visionen verließe und nicht gleich das ganze Menschheitsschicksal umspannen wollte. Ihr wiederholtes Sich -heraus-Wühlen aus dem mit Torf bestreuten Bühnenboden schwelgt zu sehr in postkatastrophalem Ambiente.
Katrin Bettina Müller
Koma House von den Magnetischen Feldern, 7.-9. und 14. -16.Juli im Kulturzentrum Schlesische Straße 27, um 21 Uhr.
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