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Der Weg ins Radlerglück

■ Premiere für Berlin: Am Südwestkorso gibt es nun einen Radstreifen auf der Fahrbahn / Radler hell begeistert / Autofahrer können Fahrradfahrer nicht länger ignorieren / Verkehrssenator Wagner (SPD) will mit dem neuen Radweg erst „Erfahrungen sammeln“

„Super“, „total geil“, „toll“, „nicht schlecht“, „toll“, „ganz toll“, „janz juut“ - auf dem Südwestkorso in Friedenau stoßen Radfahrer neuerdings spitze Begeisterungsschreie aus. Der Grund der Freude sind die neuen Fahrradstreifen, die Schönebergs Baustadtrat Saager letzte Woche auf der sanft geschwungenen Straße markieren ließ. Ein durchbrochenes weißes Band, das auf die Fahrbahn aufgemalt wurde, trennt nun einen zwei Meter breiten Velostreifen von der Autofahrbahn ab - für Berlin ein Novum, für Saager eine „kostengünstige und attraktive Alternative“ zum Radwegebau auf Bürgersteigen.

So wenig braucht es, um Radfahrer glücklich zu machen. „Die Autofahrer sehen einen besser“, loben junge und alte Radler den neuen Radstreifen. Bereits dreimal sei sie bei der Fahrt auf den in Berlin üblichen Gehweg-Radwegen fast überfahren worden, erzählt eine junge Frau - denn an Kreuzungen biegen Autofahrer oft ab, ohne an den auf dem Bürgersteig versteckten Radweg zu denken. Begeistert über den Radstreifen ist auch eine ältere Frau, die sich oft über die „Slalomfahrt“ auf Bürgersteig-Radwegen ärgern muß. „Dort hat man ständig mit den Fußgängern zu kämpfen“, ergänzt ein junger Mann. Nur eine Radlerin hat Bedenken: Der Streifen sei zu breit. Ein schmaler Weg, meint sie, „würde die Autofahrer nicht so provozieren“.

Sie - „ich bin auch Autofahrerin“ - findet den Radstreifen auch „ein bißchen gefährlich“: dann, wenn Autos ein- oder ausparken wollen. Die Berliner Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Uta Wobit, findet dieses Argument nicht stichhaltig. „Auf Bürgersteigen ist es auch gefährlich“, weiß sie. Erst kürzlich sind dem ADFC zwei Fälle bekannt geworden, bei denen Radler über Hundeleinen stürzten. Fahrradstreifen sind nach Meinung des ADFC „komfortabler und sicherer“. Die Statistik hat Wobit jedenfalls hinter sich: Nirgends kommen Radler so häufig unter die Räder wie an den Stellen, an denen sich die auf den Gehwegen verborgenen Radwege mit Einfahrten oder Querstraßen kreuzen.

Seit Jahren liefert sich der ADFC deshalb mit dem Senat einen heftigen Streit über den Radwegebau. Obwohl Berlin breitere Straßen als jede andere deutsche Stadt hat, weigerten sich Senat und Polizei bisher standhaft, Radstreifen auf Kosten der Autofahrbahn anzulegen. Wie sein Vorgänger Wronski (CDU) verteidigt auch der neue SPD -Verkehrssenator Wagner die Gehweg-Radwege - obwohl SPD und AL vereinbart hatten, keine mehr zu bauen. Wie Wronski will Wagner nun lediglich „Sichthindernisse“ an Kreuzungen wegräumen.

Nicht von Wagner, sondern noch aus Wronskis Zeiten stammt der Plan für den so revolutionären Radstreifen am Südwestkorso. Er ist Teil einer geplanten Veloroute von Kreuzberg nach Dahlem. Die Straßenverkehrsbehörde genehmigte den Streifen, weil die Straße bestimmte Bedingungen erfüllte. Auf dem Südwestkorso standen dem Autoverkehr bisher relativ breite Spuren zur Verfügung. Außerdem parken die Autos hier nicht dauernd ein- und aus - es gibt kaum Geschäfte.

Am Südwestkorso will Wagner nun Erfahrungen mit Radstreifen sammeln. Ein Sprecher des Senators nennt übrigens einen weiteren Grund, warum der Radstreifen hier möglich wurde: „Alle Fachleute sagten, daß es hier gar nicht anders geht.“ Die Bürgersteige sind nämlich zu schmal, um noch einen Radweg draufzupacken.

hmt

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