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Nackte auf dem Bildschirm?

■ Tunesier gegen „TV-Kolonialismus“ des französischen Fernsehens

Tunis (dpa) - „Unsere Jugend wird verdorben, und wir verlieren unsere arabisch-muslimische Identität.“ Für die Gegner der Direktausstrahlung des französischen Fernsehkanals „Antenne-2“ in Tunesien liegen die Tatsachen klar auf dem Tisch: „Wir sollen dem Fernseh-Kolonialismus unterworfen werden.“ Die Befürworter sehen dagegen vor allem eine Bereicherung der tunesischen Kultur und eine Anregung für die heimische Filmwirtschaft. Der „Kulturkampf“ um die im Juni mit Frankreich vereinbarte Ausstrahlung des Programms des größten französischen Staatssenders in Tunesien ist voll entbrannt.

Die Initiative zu dem TV-Vertrag war von Paris ausgegangen. Staatspräsident Fran?ois Mitterrand hatte zur „Verteidigung der Frankophonie“ in Nordafrika aufgerufen. Denn die Tunesier schalten immer häufiger den gut zu empfangenden italienischen Sender „RAI uno“ ein, und längst hat Englisch das Französische als erste Fremdsprache abgelöst.

Doch viele Tunesier zeigten sich von Mitterrands Inititive alles andere als beglückt. Vor allem die erotischen Szenen stoßen nicht nur bei den traditionalistischen Gläubigen auf Kritik, während Gewaltszenen allgemein akzeptiert werden. Der Anblick nackter Frauen verderbe die Jugend und die Sitten, heißt es.

Jetzt bemüht sich eine Gruppe von Fernsehzuschauern aus Tunis sogar um einen Strafprozeß gegen den Generaldirektor des tunesischen Fernsehens. Denn zum Besuch Mitterrands im Juni hatte der Sender die französische Krimiserie „Flics de choc“ in das Programm genommen, ohne alle Nacktszenen herauszuschneiden. Auch im europäischsten Land der arabischen Welt ist Europa kulturell noch fern.

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