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Rotes Licht für Brücke nach Skandinavien

Geliebtes Kind von Wirtschaft und Autoindustrie von Bahn sabotiert: Lieber Ausbau des Fährverkehrs / Umweltschützer kämpfen schon lange dagegen  ■  Aus Stockholm Reinhard Wolff

Das seit Jahren von Wirtschaft und Autoindustrie in Schweden forcierte Projekt einer Brücke über den O/resund zwischen Dänemark und Schweden wird vermutlich auf absehbare Zeit nicht verwirklicht werden. Grund: Ds entschiedene Nein der schwedischen Eisenbahn (SJ), die lieber in den Fährverkehr investieren will.

„Scan-Link“, eine schnelle Autobahnverbindung zwischen Oslo, Göteborg, Kopenhagen und Hamburg, sähe Volvo-Chef Gyllenhammer am liebsten schon morgen verwirklicht. Entscheidender Dreh- und Angelpunkt dieses Projekts: Brücken oder Tunnel (bzw. beides) zwischen Schweden und den dänischen Inseln sowie von dort weiter auf den Kontinent. Bislang muß jeder Autoverkehr nach Schweden über Fähren abgewickelt werden. Die dadurch um einige Stunden verlängerte Transportzeit für die schwedische Wirtschaft sei dabei ein angeblich entscheidender Konkurrenznachteil.

Viel Widerstand aus der Regierungskanzlei in Stockholm war gegen „Scan Link“ noch nicht zu vernehmen: Die leere Haushaltskasse ist der Hauptgrund dafür, daß in den letzten Jahren nicht noch mehr Hektar Wald gerodet worden sind, um den Autobahnbau an der schwedischen Westküste Richtung Oslo zu beschleunigen. Das fehlende Geld ist auch dafür verantwortlich, daß das letzte Wort zur Frage einer festen Verbindung nach Dänemark noch nicht gefallen ist.

SJ, die schwedische Eisenbahn, war als fester Mitfinanzier eingeplant. Ihr jetziges Nein könnte daher das ganze Finanzierungsgebäude kippen. „Wir haben ganz einfach kein Geld für eine feste Verbindung nach Dänemark. So einfach ist das“, erklärte SJ-Generaldirektor Stig Larsson den Rückzug der Bahn aus dem Projekt. Das Geld, das vorhanden ist, will SJ lieber in einen Ausbau des Fährverkehrs investieren.

Für die Bahn sei eine Brücke oder ein Tunnel nach Kopenhagen nicht nur zu teuer, sondern auch noch vom Zeitfaktor her uninteressant. Die Züge, die über eine feste Verbindung den O/resund schneller überqueren könnten, würden angesichts der fehlenden Schienenkapazität in Dänemark und Schweswig-Holstein die eingesparte Zeit wieder mehr als verlieren. Folgerichtige Lösung der SJ: Direktfähren von den südschwedischen Häfen Malmö oder Trelleborg nach Lübeck oder Travemünde. Schon seit dem vergangenen Jahr betreibt die schwedische Reederei Nordö Link eine kobinierte Bahn und Autofährenverbindung auf dieser Strecke mit beachtlichem Frachtaufkommen. Der Bedarf für eine Direktverbindung ist also vorhanden.

„Falls die beteiligten Regierungen meinen, daß trotzdem eine Brücke gebaut werden soll, müssen die Autofahrer und Steuerzahler die Kosten tragen, die SJ hat nichts mehr damit zu tun“, so Stig Larsson. „Das ist dann eine volkswirtschaftliche und umweltpolitische Frage.“

Einmütig ist diese Frage von Wirtschaft und Gewerkschaften mit einem Ja für die O/resund-Brücke beantwortet worden. Ohne daß die umweltpolitischen Faktoren auch nur ansatzweise eine Rolle gespielt hätten: Schwedische und dänische Baufirmen müßten gemeinsam beim Brückenbau eingesetzt werden, war die wichtigste Bedingung, die dem Gewerkschaftsdachverband LO zur Frage einer festen Verbindung eingefallen war. Dabei hätten nach Meinung von Umweltschützern ganz andere Fragen im Vordergrund zu stehen: Die Gefahren für das gesamte maritime Ökosystem der Ostsee durch eine Behinderung des freien Wasseraustausches durch den O/resund infolge der Brücke, die zusätzliche Umweltbelastung durch den zu erwartenden starken Anstieg des PKW- und LKW-Verkehrs.

Aus Untersuchungen von Naturschutzbehörden geht hervor, daß der für die Ostsee lebensnotwendige ungehinderte Zustrom von sauerstoffreichem Salzwasser aus dem Nordatlantik durch die Brückenpfeiler und Aufschüttungen an den Zufahrtsrampen stark eingeschränkt werden kann. Dies ist für eine Brücke über den O/resund zusätzlich von Bedeutung, weil bereits der andere große Ostseezufluß, der Große Belt, durch den dort gerade begonnenen Brückenbau zwischen den dänischen Inseln Seeland und Fünen ein ganzes Stück von seiner Funktion als „Frischwasserkanal“ verloren hat. Die erwartete Verdoppelung der Umweltbelastung durch Autoabgase wird nur zum Teil auf eine Konzentration des jetzt auf mehrere Verkehrslinien verteilten Verkehrs zurückgehen. Durch den Brückenbau wird auch eine generelle Ausweitung des Verkehrs befürchtet. Eine Zunahme des „milieufreundlichen“ Eisenbahn- und Küstenschiffahrtsverkehrs stünde an. Möglicherweise auch ein Grund dafür, daß SJ kein großes Interesse daran hat, diese Entwicklung auch noch mitzufinanzieren.

Neben nahezu allen Umweltschutzorganisationen Schwedens und Dänemarks hatte sich auch der südschwedische Regionalverband der regierenden Arbeiterpartei gegen das Brückenprojekt ausgesprochen. Bislang ohne große Erfolgsaussichten, wie es den Anschein hatte. Die eigentlich gar nicht erwartete Unterstützung der Brückengegner durch die schwedische Eisenbahn könnte das skandinavische „Jahrhundertprojekt“ noch vor dem Beginn des konkreten Planungsstadiums zum Absturz bringen. Zum Glück für die gestreßte Ostsee.

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