„Die behandeln uns wie Dreck“

■ Methadon: SPD wieder komplett auf Linie / Vergabe für Knackis und Prostituierte soll „geprüft“ werden / Bremer Junkies fühlen sich „verarscht“

„Wir können doch nicht heute falsch finden, was wir gestern noch selbst formuliert haben“, hatte die SPD -Bürgerschaftsabgeordnete und Befürworterin eines kontrollierten Methadon-Programms Elke Steinhöfel am Montag noch ihrem Ärger über die Hasenfüßigkeit ihrer FraktionskollegInnen Luft gemacht. Rechtzeitig zur gestrigen Bürgerschaftsdebatte hatten Steinhöfel und ihr Kollege Reinhold Stiering sich's anders überlegt. Ihre Namen standen als erste unter einem Antrag der SPD-Fraktion zu „Maßnahmen zur Verhinderung des Drogenkonsums“. Von einem Methadon -Einsatz „für Entzugswillige, die mehrere Therapien erfolglos durchlaufen haben“ ist in dem Antrag allerdings keine Rede mehr. Am Montag hatten Stiering und Steinhöfel in der Fraktionsberatung konsequenterweise noch gegen den Antrag gestimmt, den gestern ihre Unterschriften zierten.

Inzwischen haben die beiden sozialdemokratischen Methadon -Befürworter sich davon überzeugen lassen, daß auch dessen jetzige Fassung Verbesserungen für die Bremer Junkies bringt und „interpretationsfähig“ sei. Er sieht die Ausschöpfung aller „rechtlichen Möglichkeiten vor, die den Einsatz von Methadon insbesondere bei schweren psychischen und physischen Beeinträchtigungen vorsehen“. Mit zwei „Spezialprogrammen“ soll darüberhinaus der Einsatz von Methadon für drogenabhängige Frauen sowie für Strafgefangene im Rahmen der Entlassungsvorbereitungen „geprüft“ werden. Außerdem: Wer im Knast Methadon bekommen hat, soll auch nach der Haftentlassung weiter mit Substitutionsmitteln behandelt werden.

Im Parlament wird die endgültige Fassung des SPD-Antrags aber voraussichtlich erst nach der Sommerpause diskutiert werden. Der als „dringlich“ eingebrachte Antrag landete geschäftsordnungsgemäß ganz am Ende der Tagesordnung und wird in kaum noch drankommen.

Während Bremens Politiker sich ihre Meinung erst noch bilden wollen, war der Meinungsbildungsprozeß unter Bremer Juhnkies gestern bereits weitgehend abgeschlossen. „Was Politikerschweine sabbeln, ist reine Verarsche“, meint zum Beispiel Benny, der seit über 10 Jahren an der Spritze hängt. Er hatte zusammen mit 20 anderen Junkies am Montag vor der Bürgerschaft für ein Methadonprogramm demonstriert. „Scherf, Franke, Wedemeier - die haben uns behandelt, wie Dreck“, ärgert er sich. „Soll ich mich erst ins vierte Stadium drücken, daß ich Pola (Polamidon Markenname für Methadon) kriege?“ fragt Kerstin, die hiv-infiziert, aber nicht erkrankt ist. „Wenn ich Pola kriegen würde, müßte ich nicht anschaffen und könnte arbeiten gehen“, glaubt Sabine. Ernsthafte Hoffnungen darauf macht sich aber niemand mehr .

Daß die jetzt ins Auge gefaßte Methadonvergabe bei „schweren psychischen und physischen Krankheiten“ einer größeren Gruppe von Junkies eine Chance bietet, bezweifeln die meisten am Sielwalleck. „Die Sprüche, die dann kommen, die kennen wir alle,“ befürchtet Sabine resigniert.

Um dem „Turkey“, dem kalten Entzug zu entgehen, probieren es einige mit dem codeinhaltigen Medikament Remidacen und Schlaftabletten. „Ist nicht das Gelbe vom Ei, aber bevor ich Turkey schiebe, schwitze und klapper...“, meint Benny. Fast allen FixerInnen bleibt bislang nichts anderes übrig, als illegal zu substituieren. Willy, ABM-Kraft beim Bremer „Arbeitskreis Kommunale Drogenpolitik“, erzählt: „Am Sielwalleck stehen manchmal mehr Barbiturate-Dealer als Heroinhändler. Alki-Opas, die Zweimarkfünfzig für ein Pille nehmen.“ Die meisten Drogentoten seien auf die hochgiftige, illegale Substitution zurückzuführen. „Als ich noch voll auf Barbis war, ging's mir zum Kotzen. Außerdem machen die blöde“, weiß Sabine.

gkb

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