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TU-Profs verkünden Ende der Umwelttechnik

■ Einmalig in der Unigeschichte: Professoren wollen ihr eigenes Institut auflösen / Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu groß / StudentInnen kritisieren schon seit langem Konzeptlosigkeit / Nicht überall, wo Umwelt draufsteht, ist auch Umwelt(schutz) drin

Der Vorgang dürfte wohl einmalig in der Universitätsgeschichte sein: Einige Hochschullehrer der Technischen Universität Berlin möchten gerne ihr eigenes Institut auflösen. Die Entscheidung des Direktoriums des Instituts für Technischen Umweltschutz (ITU) sorgte deshalb auch für etliche Aufregung. „Das Institut wird umbenannt in Institut für Luftreinhaltung, Wasserreinhaltung, Abfallwirtschaft, Siedlungswasserwirtschaft und Umweltchemie (ILWASU)“, heißt es in dem Beschluß. Ansonsten, so die Professoren, wolle man das Institut auflösen oder in andere Institute wechseln.

Begründet wird die geforderte Umbenennung von den Professoren damit, daß „die alte Bezeichnung (Institut für Technischen Umweltschutz) Erwartungen wecke, die zwangsläufig nicht erfüllbar sind... und auch nicht erfüllbar werden“. In diesem „Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ wollten die Hochschullehrer sich nicht weiter „aufreiben lassen“. Es sei ihnen unter den jetztigen Umständen nicht möglich, „motiviert, fruchtbar und kreativ ihren Aufgaben nachzukommen“, behaupten sie.

Als „Bankrotterklärung dieser Hochschullehrer“ bezeichnen die MitarbeiterInnen des ITU den Beschluß der Professoren. Die Hochschullehrer seien offensichtlich nicht bereit, „auf die von StudentInnen und MitarbeiterInnen vorgetragene Kritik an Lehrinhalten, Forschungszielen und internen Strukturen einzugehen“. Falls das Institut in seiner bestehenden Form von den Professoren aufgegeben werde, müsse die TU die Voraussetzungen für einen neuen Umweltschwerpunkt schaffen, der Umweltschutz in seinen gesellschaftlichen Zusammenhang stellt und damit den Anspruch bei der Gründung des Instituts für Technischen Umweltschutz einlöst. Daß die MitarbeiterInnen nicht allzu unglücklich wären, würden die Professoren des ITU künftig ihr Heil an anderen Instituten suchen, gilt als offenes Geheimnis.

Vor zehn Jahren wurde das ITU gegründet und gleichzeitig der Studiengang „Umwelttechnik“ eingeführt. Seither erfreuen sich die Absolventen des Fachs Umwelttechnik einer immer größeren Akkzeptanz bei Behörden und Industrie. Auch die Studienplätze sind heißbegehrt, denn schließlich bietet die TU als einzige bundesdeutsche Universität einen solchen Studiengang an. Doch nicht nur die StudentInnen sind schon seit längerem nicht mehr mit den Studieninhalten und dem Lehrangebot des ITUs zufrieden. Obwohl die Hochschullehrer noch 1985 bei der Strukturplanung des Instituts als Ziel eine ganzheitliche Betrachtungsweise des Umweltschutzes als Ziel genannt hatten, war davon in der Zwischenzeit nicht viel zu spüren. Bei den Jubiläumsfeiern zum zehnjährigen Bestehen wurde aus TU-Kreisen daher auch offene Kritik am ITU geübt.

Daß es jetzt zu dieser „Bankrotterklärung der Professoren“ kam, ist im weiteren Sinne eine Folge des Unistreiks im letzten Wintersemester. Wie des öfteren berichtet, war das ITU während des Streiks drei Monate lang besetzt und für MitarbeiterInnen und Professoren nicht zu betreten. Die StudentInnen kritisierten insbesondere die ausschließlich auf nachsorgenden Umweltschutz ausgerichtete Gesamtkonzeption des Instituts, die mangelhafte Didaktik und fehlende Mitspracherechte der sonstigen Statusgruppen. Programmatisch wurde das ITU damals schon ein erstes Mal umbenannt: Nach einem ermordeten südamerikanischen Umweltschützer sollte es künftig „Chico-Mendes-Institut“ heißen.

Die Blockade während des Streiks konnte erst über Verhandlungen zwischen Professoren und StudentInnen unter starker Beteiligung der TU-Leitung beendet werden. Im Ergebnis wurden den StudentInnen mehrere Stellen für Planungsgruppen der inhaltlichen Erweiterung des Studiums zugebilligt. Außerdem akkzeptierten die Professoren die Erweiterung des Institutskonzepts hin zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Diese Kompromisse des Studenten- streiks scheinen jetzt jedoch vergessen.

Daß die Hochschullehrer jemals „motiviert, fruchtbar und kreativ“ ihren gestellten Aufgaben nachgekommen sind, wie sie selbst behaupten, wird von den künftigen UmwelttechnikerInnen bezweifelt. Die Entwicklung der letzten Monate sei nicht mehr als die Erinnerung an die eigentlichen Aufgabenstellungen, heißt es. Ansonsten wird von den StudentInnen auf die freie Marktwirtschaft verwiesen, die bei einem völligen Versagen ihrer Mitarbeiter, besonders der leitenden Angestellten, diese hinauswirft. Dies sei auf Grund des Beamtenrechts bei Professoren leider nicht möglich. Ob die Namensänderung möglich ist, muß nun das Kuratorium der TU entscheiden.

maer

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