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Machtverteilung okay - Wahlen ade

In Angola setzt die Bürgerkriegsarmee nach dem Waffenstillstand auf „Nationale Aussöhnung“ / Unita-Chef soll ins „innere Exil“ gehen, seine Krieger werden in die Regierungspartei MPLA integriert / Freie Wahlen und Revolution sind kein Thema mehr  ■  Aus Luanda Knut Pedersen

Zehn Tage nach dem Waffenstillstand, der 14 Jahren Bürgerkrieg ein Ende setzen soll, gehen in der Hauptstadt Luanda einmal mehr die Lichter aus. „Und da wundern sie sich, daß schier niemand vor Freude in den Straßen tanzt“, raunt ärgerlich ein Verantwortlicher für „Information und Propaganda“. Die angekündigte „nationale Versöhnung“ hat seine Arbeit keineswegs leichter gemacht. Im Gegenteil, es hat eine ganze Woche gedauert, bis die offizielle angolanische Presse den „historischen“ Händedruck - im benachbarten Zaire - zwischen Staatspräsident Dos Santos und dem Rebellenchef Jonas Savimbi endlich gemeldet hat: versteckt im vorletzten Absatz einer langen Verlautbarung des Politbüros der Einheitspartei.

Am gleichen Tage, vergangenen Freitag, haben die Rebellen der Haupstadt den Strom abgedreht. „Rio im Herzen der Finsternis“, nennen die Einwohner Luandas eine Stadt, die es in ihrer glanzvollen Vergangeheit mit der Lebenslust der brasilianischen Metropole aufnehmen konnte. Der erste Schritt zum Frieden in Angola hat zum Ausbruch spontaner Freude bisher keinen Anlaß gegeben. Nach 28 Jahren Krieg lebt das Land noch immer in traumatischer Beklemmung. 14 Jahre lang wurde hier gegen die portugiesische Kolonialherrschaft gekämpft und ebenso lange, seit 1975, um herauszufinden, welche Unabhängigkeitsbewegung denn ihren Anspruch auf Macht und Recht würde durchsetzen können.

„Angola ist heute so weit wie am Vorabend seiner Unabhängigkeit - abgesehen von einer Million Toter“, hat der portugiesische Staatspräsident Mario Soares mit treffendem Zynismus bemerkt. In einem Land, das mangels Einheit nurmehr militärische Einheiten kennt, ist der Marsch in den Frieden zwangsläufig schwierig. „Das Rebellenkommando, das in Calomboloca, rund 60 Kilometer südwestlich von Luanda, die Hochspannungsleitung der Hauptstadt sabotiert hat, war vielleicht noch nicht von der Waffenruhe informiert“, räumt Angolas Außenminister Van Dunem „Loy“ ein. Was ihn freilich nicht gehindert hat, den Zwischenfall zum Vorwand zu nehmen, um die gerade begonnenen Friedensverhandlungen im nachbarlichen Zaire „vorläufig auszusetzen“.

Eine Regierungsdelegation sollte mit Vertretern der Unita -Rebellen (Nationale Union für die totale Unabhängigkeit Angolas) die praktischen Modalitäten der „Versöhnung“ ausarbeiten. Nach 24 Stunden haben sich die Gruppen „bis auf Weiteres“ getrennt. Auf beiden Seiten bestehen von „nationaler Versöhnung“ noch sehr unterschiedliche Auffassungen. „An der Oberfläche ist alles ruhig geblieben, aber das täuscht“, erklärt ein führendes Mitglied der staatlichen Einheitspartei MPLA (Volksbewegung für die Befreiung Angolas). „Es ist, als ob mit einem Male der Boden unter unseren Füßen verschwände.“ Nicht ohne Grund: Vor zehn Tagen noch schlossen alle Verantwortlichen in Luanda ein blosses Zusammentreffen mit den „Lakaien des Imperialismus“ rundweg aus - vom Handschlag mit Jonas Savimbi ganz zu schweigen.

Kein Handschlag

mit „Judas Savimbi“

Im staatlichen Radio war von ihm seit Jahren nur als „Judas“ Savimbi die Rede, um seine Allianz mit den „südafrikanischen Rassisten“ zu stigmatisieren. Im Propaganda-Ton stand der Rebellensender Gallo negro im übrigen nicht nach: Morgens und abends krähte der „Schwarze Hahn“ die Wahrheit über die „Marxisten auf den kubanischen Bajonetten“ in die Welt und verhöhnte Staatspräsident Dos Santos als „roten Caudillo“. Jetzt haben beide Seiten über Nacht ihr Vokabular angepaßt. Die „Marionnetten“ und „bewaffneten Räuber“ von gestern sind zu „verfeindeten Brüdern“, wenn nicht zu „getäuschten Mitbürgern“ geworden. Vor den Nachrichten wird im angolanischen Fernsehen nunmehr zur „Einheit der angolanischen Familie“ aufgerufen. Vor Tagen noch hatten die gleichen Sprecher im martialischen Ton die „einzige Alternative für die Unita-Marionnetten“ verkündet: „aufgeben oder sterben.“ Jetzt setzt man in Luanda auf eine andere Lösung. „Individuell“, das heißt, einer nach dem anderen und jeder für sich sollen „alle Mitglieder der Unita und in Staat und Gesellschaft integriert“ werden. Die „marxistische“ Zitadelle hat ihre Fallbrücken gesenkt und lädt ein - aber nicht zum Umbau. Dank eines „gewissen Meinungspluralismus“ sollen sich die verlorenen Söhne und Töchter in den „Institutionen der Volksrepublik Angola“ wie zu Hause fühlen. Es ist fraglich, ob das eine realistische Perspektive ist, zumal Rebellenchef Savimbi ins „innere Exil“ gehen soll. Nachdem sie lange gehofft hatte, den charismatischen und machthungrigen Rivalen ins Ausland abschieben zu können, fordert die angolanische Regierung jetzt, daß er sich „zurÜckziehen“ soll: in seine Buschhauptstadt Jamba im äußersten Südosten des Landes, die er seit 23 Jahren selten verlassen hat. „Für die Übergangszeit bis zur vollständigen Integration der Unita -Mitglieder wäre diese Lösung für alle akzeptabel“, glaubt ein angolanischer Minister, der freilich auch nicht weiß, „was auf Dauer aus Savimbi werden soll“. Die „nationale Aussöhnung“ wird ihre Probe aufs Exempel in den kommenden anderthalb Jahren erleben. Bis zum nächsten Parteikongreß der MPLA Ende 1990 soll die Eingliederung der Feinde von gestern so weit fortgeschritten sein, daß „ihre Aufnahme in die Partei möglich wird“. Um den Weg für eine akzeptable „Einheitsfront verschiedener Tendenzen“ zu ebnen, wird denn auch „entstalinisiert“. Vergangenen Freitag wurde Informationsminister Paolino Pinto Joao aus seinem Amt entfernt. Er gehört zur „unversöhnlichen“ Fraktion um Lucio Lara, die im Politbüro vom Chefideologen Roberto de Almeida und dem einzigen Weißen, Antonio Jacinto, repräsentiert wird.

„Wahlen“ sind Mittel

und kein Selbstzweck

Und wo bleiben in solchem Szenario die „freien Wahlen“, für die nach eigener Darstellung die Unita-Rebellen ihren jahrelangen Buschkrieg geführt haben? „Das war nur ein Köder, um amerikanische Unterstützung zu bekommen“, meint ein westlicher Diplomat in Luanda, der illusionslos anmerkt, daß „kein einziger der 17 afrikanischen Präsidenten, die beim versöhnlichen Händedruck in Zaire Pate standen, von seinem Volk gewählt worden ist“. Kein Wunder also, daß von „freien Wahlen“ im Schlußkomunique keine Rede mehr war. „Wahlen sind ein Mittel und kein Selbstzweck“, fügt der Diplomat an. „Wenn sie mit der Machtverteilung zufrieden ist, warum sollte die Unita dann noch Wahlen verlangen?“ Demokratischer Idealismus ist in solcher Rechnung bestenfalls ein Rest, der nicht aufgeht. Man muß freilich nicht an der „unmöglichen Demokratie in Afrika“ verzweifeln, um einzusehen, daß Wahlen in Angola auf weiteres undenkbar sind. Nach vierzehn Jahren Krieg und Kriegspropaganda könnte kein Wahlkampf jene tief eingeprägten Feindbilder vermeiden. Das geschwächte Regime in Luanda hat dem wenig entgegenzusetzen. Das Land ist zerstört und die Regierung isolierter denn je.

Nach dem Abschluß des regionalen Friedensabkommens im vergangenen Dezember in New York verlassen die Kubaner Angola - enttäuscht und verbittert. „Aus denen kann jetzt werden, was will, uns interessiert das nicht mehr“, erklärt ohne Umschweife ein kubanischer Offizier. Die Abschiedszeremonien für die „kubanischen Waffenbrüder“ mangeln denn auch an spontaner Herzlichkeit, zumal der in Havanna begonne Prozeß gegen den ehemaligen Chef des kubanischen Expeditionsheeres, General Arnaldo Ochoa, mehr Zwielicht als Glanz auf die „internationalistische Mission in Angola“ wirft. Die angolanischen Medien berichten - aus dem Gerichtssaal in Havanna -, wie die „Barbudos“ auf Kosten des Landes leben: Dank des einträglichen Schwarmarktes mit Zucker, Rum und Benzin, dank Devisenschmuggels und massiv ausgeführtem Edelholz, Elfenbein und Diamanten. Der „proletarische Internationalismus“ kennt in der Tat keine Grenzen.

Wo ist die Revolution geblieben?

Bis zum 1.November wird die Hälfte der rund 50.000 kubanischen Soldaten Angola verlassen haben. Ihr Abzug und die nurmehr spärliche sowjetische Unterstützung haben das Regime in Luanda geschwächt. Nach wie vor weigern sich die Vereinigten Staaten, ihre Unterstützung der Unita-Rebellen einzustellen und mit der Regierung in Luanda diplomatische Beziehungen aufzunehmen. „Warum auch? Jetzt, wo sie endlich ihren Wolf in den marxistischen Schafstall gebracht haben, gibt es keinen Grund, den Feinden von gestern Geschenke zu machen“, kommentiert ein afrikanischer Diplomat in Luanda. Weltpolitisch zwischen Baum und Borke sucht die angolanische Regierung nunmehr verzweifelt nach Halt: in Afrika, um ihre Version „nationaler Versöhnung“ durchzusetzen, und von seiten des „Internationalen Währungsfonds“, um sich orthodoxes Wirtschaften vorschreiben zu lassen.

Vor einem Monat wurde gar der erste Militärattache einer westlichen Botschaft in Luanda akkreditiert. Die angolanische Regierung hat ihren ehemaligen Kolonialherrn Portugal um „militärische Expertise“ ersucht. „Wo sind die Errungenschaften unserer Revolution geblieben, die wir 14 Jahre lang gegen gesinnungslose Banditen verteidigt haben?“ fragt sich mit bitterer Ironie ein enttäuschter Parteigänger Agostino Netos. Sollten die Rebellen Jonas Savimbis wirklich ihren langen Marsch in den Staatsapparat beginnen, wer stünde ihrem politischen und wirtschaftlichen „Liberalismus“ heute noch im Wege?

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