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Schönberg kein Thema

Beim deutsch-deutschen Umwelt-Gipfel spielt das größte Projekt grenzüberschreitender Zusammenarbeit „keine wesentliche Rolle“: die DDR-Gift- und Mülldeponie Schönberg, Europas größte Abfallkippe und zugleich größter Müllschlucker der Bundesrepublik. „Schönberg ist bisher nicht verstärkt in Erscheinung getreten“, hieß es im Bonner Ministerium schon bei der inhaltlichen Vorbereitung des Reichelt-Besuches. Warum auch. Die Deponie gehört zu den seltenen Fällen geglückter Kooperation zwischen Ost und West.

Die Bundesrepublik profitiert vom Müll-Tourismus in die DDR, weil sich ohne ihn der Entsorgungs-Notstand dramatisch zuspitzen würde. Und die DDR profitiert durch harte Westmark. Auf 72 Millionen Mark werden die DDR-Einnahmen des vergangenen Jahres durch das Müllgeschäft mit der BRD taxiert. Trotz inzwischen mehr als 400 Klagen der Stadt Lübeck gegen die Transportgenehmigungen aller Herren (Bundes) Länder hat der Müll-Tourismus neue Rekordhöhen erreicht.

Im vergangenen Jahr kletterte die bundesdeutsche Gift- und Müllfracht auf über eine Million Tonnen. Rund 6.500 Laster mit Abfällen aller Art registrierte der westdeutsche Zoll. In den nächsten Jahren wird dieser Rekord noch purzeln. Hamburg, der größte Schönberg-Lieferant hat bereits angekündigt, daß es seine Lieferungen in den nächsten Jahren weiter ausweiten will oder muß, weil die Alternativen fehlen. So ist Schönberg längst die wichtigste Abfall -Entsorgungsanlage der Bundesrepublik geworden.

„Diese Verantwortungslosigkeit muß aufhören.“ Schönberg sei ein Schlupfloch größten Ausmaßes, das Haus- Industrie- und Giftmüll „in nahezu unvorstellbarem Umfang“ schlucke, donnerte zuzeiten Barschels der Kieler Oppositionsführer Björn Engholm gegen den Müll-Tourismus. Seit die Sozis in Schleswig-Holstein regieren und die unvorstellbaren Transporte durch das von ihnen regierte Bundesland donnern, hat sich die Tonlage drastisch verändert. Umweltminister Heydemann besuchte im Juni die DDR-Deponie und war entzückt. Für ihn sei Schönberg eine der sichersten Deponien überhaupt. Der Sondermüll sei hier sicher eingelagert, „da er in den Hausmüll eingebettet liegt“. Da verschlug es nicht nur dem Lübecker Bürgermeister Bouteiller die Sprache.

Heydemann fiel mit seiner Lobhudelei sogar weit hinter die Positionen derjenigen Bundesländer zurück, die Schönberg intensiv als Abfall-Kippe benutzen. Hessens Umweltminister Weimar hatte zum Beispiel mehrfach eingeräumt, daß die DDR -Deponie in der Bundesrepublik so nicht genehmigt werden könnte, daß Basisabdichtung und Gewässerschutz nicht den gebotenen Standards entsprechen. Was ihn nicht hindert seinen Müll dort zu entsorgen.

Die DDR-Umweltgruppen haben in offenen Briefen an Engholm und Weimar mehrfach - und mehrfach vergeblich - eine Ende des Müll-Tourismus gefordert:

„Wir appellieren an Sie im Interesse der Bürger der DDR, auf diese fahrlässige und gesundheitsgefährdende Müllentsorgung in unserem Land zu verzichten. Sollten Sie es ernst meinen mit den oft zitierten Verbesserungen zwischen Ost und West, dann entsorgen Sie bitte den Müll in Ihrem Land. Sollten Sie dazu nicht bereit sein, dann liefern Sie wenigstens die umweltschonenden Entsorgungssysteme auf dem modernsten Stand der Technik mit.„

DDR-Umweltminister Reichelt wird heute in Bonn ganz anderes über die DDR-Deponie berichten, falls sie überhaupt angesprochen wird. Für ihn ist Schönberg „ökologisch, hydrologisch und geologisch völlig unbedenklich“. Und mehr noch: Schönberg besitze eine hohe politische Bedeutung und sei Ausdruck der verbesserten Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten - deutsch-deutsche Harmonie auf dem Müllhaufen.

-man

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