: Startbahn: Andreas S. bleibt in U-Haft
■ Obwohl die für den Haftbefehl ausschlaggebenden Gutachten im Prozeß nicht standhielten, besteht angeblich weiterhin „dringender Tatverdacht“ / Verteidigung befindet: „Kalter Kaffee“
Frankfurt (taz) - Die Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat gegen den Wiesbadener Startbahngegner Andreas S. Haftfortdauer angeordnet. Wie der Pressesprecher am OLG Sauer mitteilte, bestehe laut dem 5.Strafsenat weiter „dringender Tatverdacht gegen Andreas S. unabhängig der Gutachten von Ulrich Perret“. Eine schriftliche Begründung will der Senat erst in der kommenden Woche vorlegen.
Die Staatsschutzkammer folgte mit ihrer Entscheidung der Forderung von Bundesanwalt Klaus Pflieger. Der Oberstaatsanwalt hatte in seiner Erklärung während des Verhandlungstages am Donnerstag zwar eingeräumt, daß die erneute Festnahme von S. auf der Grundlage der umstrittenen Text-Vergleiche des Sachverständigen Ulrich Perret erfolgte. Gleichwohl bestehe gegen den Wiesbadener unabhängig davon weiter „dringender Tatverdacht“, der einer Haftaufhebung entgegen stünde. Der Nichtlinguist und BKA-Oberrat Perret hatte in mehreren „linguistischen Gutachten“ angebliche Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen von drei Bekennerschreiben (BK) der Revolutionären Zellen mit privaten Briefen von S. festgestellt. Diese Gutachten hatten im Juli vergangenen Jahres zur erneuten Inhaftierung und Anklageerhebung wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ gegen S. geführt. Die Bundesanwaltschaft hatte im April 1988 das Verfahren zunächst wegen mangelndem Tatverdacht eingestellt. Perret hatte im Prozeß seine Gutachten teils korrigieren und revidieren müssen.
Für die Verteidigung ist der „dringende Tatverdacht unabhängig von den Perret-Gutachten kalter Kaffee“. Die Inhaftierung und Anklage von S. sei allein aufgrund der Gutachten erfolgt und auch so von den Behörden dargestellt worden. Alle weiteren Tatverdächtigungen hätten bereits 1988 bestanden und zur „Einstellung des Verfahrens gegen S. durch Ankläger Pflieger geführt“, erklärte Rechtsanwalt Wolfgang Kronauer.
M.B.
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