Kreuzberger Schulroulette

■ Chaotische Schulsituation in der Kreuzberger Friedrichstadt / Eltern fürchten weitere Verschlechterung durch Aussiedler-Kinder / Bezirksamt hilflos

„Kleine Kinder brauchen kleine Klassen“, steht auf dem handgemalten Protestplakat, das sich ein Vater umgehängt hat. Auf dem Schulhof der Kurt-Schumacher-Grundschule in der Kreuzberger Putkammerstraße toben und lärmen heute nicht nur die SchülerInnen. Auch die Eltern schwenken Rasseln, tuten auf Tröten und schlagen auf mitgebrachte Kochtöpfe ein.

„Wir schlagen Krach“, hatte es auf der Einladung zu der Aktion am Samstag morgen geheißen. Der Grund für die Katzenmusik: Eltern und Lehrer Innen befürchten eine weitere Verschlechterung der Schulsituation im neuen Schuljahr. „Wir hatten gehofft, daß wir nun endlich eine normale Schule werden“, erklärt einer der Elternvertreter. Seit Jahren sind die Klassen in der Kurt-Schumacher-Schule, einer Ganztagseinrichtung mit nachmittäglicher Freizeitbetreuung, hoffnungslos überbelegt, fehlen LehrerInnen, muß planmäßiger Unterricht ausfallen.

Nun wurde der Schulleitung mitgeteilt, daß im Herbst vorrübergehend die SchülerInnen der achten Grundschule in den Räumen der Kurt-Schumacher-Schule untergebracht werden sollen. Das Gebäude dieser neugegründeten Grundschule am Anhalter Bahnhof ist zur Zeit noch eine Baustelle. Entgegen der Planung, hat sich die Fertigstellung der Schule, für die es schon seit letztem Jahr genügend SchülerInnen gibt, verzögert. „Es ist unerhört, daß die Planungsfehler für unser Wohngebiet auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragen werden!“, beschweren sich die Eltern.

„Die Schulsituation im Bezirk ist katastrophal“, gibt auch Bildungsstadtrat Dirk Jordan (AL) zu. Eigentlich sollten die Schüler der ersten Grundschule in einem alten Schulgebäude in der Dessauer Straße untergebracht werden. Doch dort haben schon die Oberschüler der Ossietzky-Schule ein Übergangsquartier gefunden, weil das Ersatz-Schuldorf für ihre Asbestschule ebenfalls nicht rechtzeitig fertigstellt werden konnte. „Es gab keine Möglichkeit, woanders Ersatz zu finden“, bedauert Stadtrat Jordan.

Benachteiligt fühlen sich die Eltern der Kurt-Schumacher -Schule auch aus einem anderen Grund. „Die Eltern haben Angst“, erklärt Schulleiterin Jutta Kellmann, „daß, wenn die Einlagerung einmal praktiziert wird, daß dann auch noch Aussiedlerklassen eingerichtet werden.“ Im Einzugsgebiet der Schule liegen nämlich auch zwei Aussiedlerwohnheime. „Natürlich sind wir nicht gegen Aussiedlerkinder“, so Jutta Kellmann, aber der Bezirk, der ohnehin die meisten Probleme habe, werde dadurch über Gebühr belastet.

Bereits jetzt würden deutsche Eltern ihre Kinder aus der Schule abziehen, um ihnen nicht mit einem „Kreuzbergabitur“ die Zukunft zu verderben. Als Problem sieht die Schulleiterin vor allem die schlechten Deutschkenntnisse der Aussiedlerkinder an. Dafür würde zwar ein spezieller Förderunterricht eingerichtet, der jedoch wegen Lehrermangel öfters ausfallen müsse.

„Die Probleme, die alle Kreuzberger Grundschulen haben, häufen sich bei der Kurt-Schumacher-Schule“, bestätigt Bildungsstadtrat Jordan. In den Bezirken würde jedoch zur Zeit darüber nachgedacht, wie der Schlüssel, nach dem Aussiedler und Asylbewerber in den einzelnen Berliner Stadtteilen verteilt werden, geändert werden könne.

-guth