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„Man muß auch an eine Utopie glauben“

■ Willi Daume und sein letztes Lebensziel: Olympia im Jahr 2000 oder 2004 in beiden Teilen Berlins

„Man muß auch an eine Utopie glauben.“ Willi Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) der Bundesrepublik, nannte bei dem von ihm initiierten Münchner Treffen der fünf bundesdeutschen Kandidaten für eine Bewerbung um Olympische Spiele im Jahr 2000 oder 2004 am Freitag in der Olympiahalle sein letztes großes Lebensziel: Olympische Spiele in einem Gesamt-Berlin mit friedenspolitischer Signalwirkung für die ganze Welt.

Alle Teilnehmer des Olympia-Gipfels an der Isar - vom Regierenden Bürgermeister Momper über den Hamburger Ersten Bürgermeister Henning Voscherau und den Frankfurter Oberbürgermeister Volker Hauff bis hin zum Dortmunder Stadtoberhaupt Günter Samtlebe und dem Stuttgarter Sport -Bürgermeister Gerhard Lang - waren sich einig, daß die Idee einer gemeinsamen Bewerbung von West- und Ost-Berlin derzeit noch keine realistische Chance hätte, aber, so Momper: „Wenn der Entspannungsprozeß so weitergeht wie bisher, dann ist es gleichgültig, ob die Mauer noch steht oder nicht, dann haben Grenzen ihre Bedeutung verloren.“

Auch Daume ist sich klar, daß das Berlin-Votum in München zwar „mehr als nur ein Traum“ und sogar „politische Realität“ sein kann, aber abhängig davon ist, wie sich der von Gorbatschow in der UdSSR vorgezeichnete Entspannungsprozeß in den anderen Ostblockländern, vor allem in der DDR, fortsetzt. Ob DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker gegenüber Walter Momper - bei einem Treffen in Ost -Berlin mit der bundesdeutschen Olympia-Idee konfrontiert mit seiner Bemerkung „Das ist Ihr Weg“ sich den Rücken für ein Einschwenken auf eine Gesamt-Berliner Kandidatur offenhielt oder tatsächlich nur eine Bewerbung von Leipzig im Sinn hat, ist zum momentanen Zeitpunkt politischer Turbulenzen von niemandem zu beantworten.

In München waren sich Berlins Konkurrenten aus Hamburg, Frankfurt, Stuttgart und dem Ruhrgebiet einig, um der großen friedenspolitischen Idee willen sich für den Gedanken von einenden, alle Grenzen überwindenden Olympischen Spielen in der geteilten Stadt „einzusetzen und diese zu unterstützen“. Eine Kandidatur Gesamt-Berlins müßte spätestens 1991 klar sein, denn das NOK muß bis 1. April 1992 eine Bewerbung für das Jahr 2000 beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) abgeben. Falls eine Kandidatur Gesamt-Berlins nicht zum Tragen kommt, muß den anderen Bewerbern noch Zeit bleiben, sich zu präsentieren. Für eine Bewerbung für das Jahr 2004 stünden vier Jahre mehr Zeit zur Verfügung. Bekommt Athen die Olympischen Spiele 1996 zugesprochen, so sieht auch NOK -Generalsekretär Walther Tröger keine Chance für eine erfolgreiche Kandidatur eines europäischen Bewerbers, nachdem Barcelona bereits die Spiele von 1992 ausrichtet.

In ihren viele Millionen Mark teuren Bemühungen, ihre Kandidatur vor dem bundesdeutschen NOK und auch gegenüber der Sportwelt auszubauen, werden die vier anderen Bewerber unvermindert fortfahren, denn der Kandidat Berlin kommt nur für eine Gesamt-Berliner Bewerbung in Frage, nicht aber dann, wenn die DDR endgültig Nein sagt. „Nicht aggressiv, sondern fair“ wollen sie für sich selbst werben. Die Entscheidung, eine Kandidatur Gesamt-Berlins vor der eigenen zu unterstützen, war nach den Worten des Hamburger Bürgermeisters Voscherau schon vorher gefallen - kein Anlaß also, unzufrieden in ihre Heimatstädte zurückzukehren.

Herbert Bögel

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