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Honecker hats an der Galle

■ Von den Grenzen des biologischen Systems: Eine Übersicht aus der Krankenstation der DDR-Staatsführung / 'Neues Deutschland‘ analysiert: „Mit Eierverzehr hat das nichts zu tun“

Bukarest (ap/taz) - DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker ist bei dem Gipfeltreffen der Warschauer-Pakt -Staaten in Bukarest schwer erkrankt. Er leidet nach einer Meldung der DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ an einer akuten Gallenblasenerkrankung und flog vorfristig nach Berlin zurück.

Vom allgemeinen Gesundheitszustand Honeckers hatten Besucher in letzter Zeit einen unterschiedlichen Eindruck gewonnen. Während der SED-Generalsekretär auf US -Journalisten, die ihn mehrere Stunden interviewten, geistig präsent wirkte, hinterließ er bei anderen den Eindruck zeitweiliger Konzentrationsstörungen. So hatte er zum Beispiel Ende 1988 den damaligen Kanzleramtsminister Schäuble bei dessen Besuch in Ost-Berlin mehrfach mit Herr Bundeskanzler angesprochen. Im Frühjahr wurde Honecker längere Zeit nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen, winkte aber am 1. Mai stehend mehrere Stunden den an der Ehrentribüne vorbeiziehenden Menschen zu.

Sollte der Staatschef tatsächlich an der Galle erkrankt sein, so gibt es nach Auskunft von Medizinern zwei Möglichkeiten: Hat er eine Gallenkolik, dann muß er sich operieren lassen. Der Verlauf der Krankheit ist zwar unangenehm, aber der Eingriff harmlos. Eine Gallenblasenkolik, zweite mögliche Krankheit, gilt ebenfalls als harmlos.

Eine Kuriosität am Rande: Das 'Neue Deutschland‘ veröffentlichte am Samstag auf vier Spalten eine Problemanalyse über Gallenkrankheiten: Zucker, Salz, Fett, dazu Alkoho- und Nikotin-„Genuß“ bei geringer körperlicher Bewegung verkrafte kein gesunder Organismus. Allerdings: „Mit Eierverzehr hat es nichts zu tun.“

Fest steht, daß der 75jährige SED-Chef sich an den Grenzen seines biologischen Systems befindet. Nicht nur Konzentrationsschwächen, sondern weitere Merkmale von Altersschwäche registrierten Beobachter in der letzten Zeit: Honecker beendet in freier Rede oftmals seine Sätze nicht und läßt die Silben schleifen.

Seine jetzige Erkrankung löst erneutes Rätselraten über seinen möglichen Nachfolger an der SED-Spitze aus. Sein Kronprinz, der ehemalige FDJ-Chef Egon Krenz (52), Reformgegner wie sein Chef, ist schwer zuckerkrank, zweimal täglich muß er sich Insulin spritzen lassen. Krenz könnte höchstens ein paar Jahre regieren, denn Insulin-Diabetiker altern schneller. Bleiben noch der 75jährige magenkranke Ministerpräsident Willi Stoph, der für Honecker in Bukarest jetzt die Abschlußkommuniques unterzeichnete, und der 81jährige Stasi-Minister Erich Mielke. Einen Reformer will die derzeitige SED-Führung auf keinen Fall an ihre Spitze wählen. Damit ist der unlängst öffentlich abgekanzelte Reformpolitiker und Moskauer Wunschkandidat, der 1. Sekretär des Parteibezirks Dresden Hans Modrow, aus dem Rennen.

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