: Ein Arschloch für 300 Mark
■ Das Amtsgericht hatte über Autofahrerkommunikation zu befinden
In den letzten Jahren war eine solche Beleidigungsklage vor dem Bremer Amtsgericht nicht mehr verhandelt worden. Der ausgestreckte Mittelfinger, eines der eingeschliffensten und gängigsten Kommunikationskürzel auf bundesdeutschen Autobahnen, ward vor den Kadi gezerrt. Die Verrohung der Sitten einer höchstrichterlichen Wertschätzung anheimgegeben.
Tatbeteiligte: ein 27jähriger KFZ-Mechaniker, Golffahrer in Begleitung zweier junger Damen und ein 36jähriger Angestellter
'mit seinem schwarzen Honda auf der BAB 27 Richtung Bremer Kreuz unterwegs.
Ob nun skurile Bagatelle oder nicht: Die Staatsanwältin verzieht keine Miene, während sie die Anklageschrift verliest. Der Angeklagte, trägt sie vor, soll am 7.August 1988 beim Überholen des Golfs den Insassen jenen wohlbekannten Mittelfinger gezeigt, sich vor ihn gesetzt und per Rückspiegel und zum Kreis geschlossenen Daumen und Zeigefinger ein „Arschloch“ hinterhergeschickt haben.
Aus nichtigem Anlaß, wie sich bei der Befragung des Zeugen Golffahrer ergibt. Der sei auf der linken Spur gefahren, in Kolonne und habe, als er rechts rüber wollte, nach ordnungsgemäßem Blinkersetzen den schwarzen Honda rechts an sich vorüberziehen sehen. Wie gesagt, mit Mittelfinger und Arschloch. Nein, sagt der Anwalt vom schwarzen Honda, der ohne seinen Mandanten angetreten ist, so könne es nicht gewesen sein. Allenfalls würde er einräumen, daß der Angeklagte „möglicherweise im
Streit mit seiner damaligen Freundin im Auto gestikuliert hat“.
Alle Ausreden nutzten nichts, der Richter fand noch ein schlimmeres Delikt: das Überholen von rechts. So machte er den Vorschlag, sich außergerichtlich auf
eine Geldbuße von 300 Mark zu einigen, zu zahlen innerhalb eines Monats an die Staatskasse. Wie teuer den Beschuldigten nun der Mittelfinger und wie billig das Arschloch kommt, läßt sich nach diesem Urteil zu aller Mißvergnügen nicht mehr dezidiert auf
schlüsseln.
anh
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