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Mordanschlag aus fahrendem Auto

■ Ein Toter und zwei Verletzte bei Schießerei auf offener Straße in Neukölln / Polizei vermutet Streit zwischen türkischen Familien

Große Flecken getrockneten Blutes, einzelne Scherben gesplitterten Autofensterglases und weiße Kreidestriche auf dem Asphalt. Mehr war gestern nachmittag an der Werbellinstraße Ecke Hermannstraße im Bezirk Neukölln nicht mehr davon sehen, daß an dieser Stelle fünf Stunden zuvor sekundenlang Zustände wie in Palermo geherrscht hatten. Dazu der Polizeibericht im O-Ton: Gegen 10.20 Uhr werden in Neukölln, Werbellinstraße zwischen Morusstraße und Falkstraße Fahrtrichtung Hermannstraße auf einen grünen Audi 100 mit dem Kennzeichen B-AU 3412, fünf Schüsse von bisher unbekannten Täter aus einem vermutlich weißen Daimler Benz abgegeben. Der Fahrer des Audi, der 19jährige Necati A. Aus Neukölln, kann das Fahrzeug ca. 20 Meter vor der Hermannstraße zum Stehen bringen. Er erleidet eine Schußverletzung im Rücken. Der neben ihm auf dem Beifahrersitz befindliche 48jährige Ismet Y. Aus Düsseldorf stirbt noch am Ort infolge eines Schusses in den Halsbereich. Seine Frau, die 39 Jahre alte Gülhan erleidet eine Schußverletzung am linken Arm. Die 20jährige Selma Frau des Fahrers - und der knapp einjährige Sohn Hasret bleiben unverletzt. Eine weitere Mitinsassin im Fahrzeug, die 41jährige Emine D. Aus Neukölln, erleidet einen Schock. Alle Personen werden zur Versorgung der Veletzungen beziehungsweise Schockbehandlung in ein Krankenhaus eingeliefert.

Die Fahndung nach den Täter, die sich in dem weißen Daimler mit einer - vermutlich durch die aus dem Innenraum abgebenen Schüsse - zerstörten Heckscheibe in Richtung Falkstraße entkamen, lief bei Redaktionschluß auf Hochtouren. Die Berichte von Augenzeugen, daß der grüne Audi sogar von zwei Autos verfolgt worden war, konnten von der Polizei bis gesternabend nicht verfifiziert werden. Nach ersten Ermittlungsergebnissen hat die Tat Streitigkeiten zwischen zwei türkischen Familien um ein angebliches Tötungsdelikt in der Türkei zum Hintergrund. Unter Tatverdacht wurden bei Redaktionschluß zwei männliche Angehörige einer in in Berlin lebenden Türkenfamilie vernommen, die mit dem Familenclan der Opfer in Fehde leben soll.

Über den Ort des blutigen Geschehens hingegen rollt am Nachmittag schon wieder der Berufsverkehr. Auf dem Bürgersteig daneben steht immer noch eine dichte Menschentraube. Vornehmlich sind es Hausfrauen und Passanten, die sich dort versammlten haben. Das unmittelbare Tatgeschehen hat keiner von ihnen mitbekommen aber die räumliche Nähe moblisiert die Phantsie. Den Rest steuern diejenigen bei, bei die seit dem Vormittag vor der Kiste gesessen und aufmerksam Schamonies-Betonfunk gelauscht haben. „Blutrache war det“, weiß eine wasserstoffblonde Mutter, die ein zehnjähriges Mädchen fest an ihren ausladenden Busen presst. „Ick war mit einem Araber verheiratet. Der ist vor sechs Jahren auf dem KuDamm erstochen worden, das war auch Blutrache“, erzählt sie, stößt aber bei einer etwa 30jährigen türkischen Mutter auf heftigen Protest. „Das war keine Blutrache“, widerspricht sie: Bei einer Blutrache würde keine Maschinenpistole verwendet und nicht geschossen, wenn kleine Kinder und Frauen mit im Auto seien. Eine Gruppe biertrinkender türkischer Männer, in kurzen Hosen plichte ihr bei. Als Motiv käme nur Rauschgift oder politische Streitigkeiten in Betracht, sind sie sich sicher. Sie hielten es für wahrscheinlicher, daß hier Türken auf Türken losgingen, mochten aber nicht ganz auschließlich, daß die Täter vielleicht auch Deutsche waren.

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