: art!st - oder: Von der Banane zum Künstler
■ Das 33. Mitglied im CULTURE-CLUB: der Bremer Kunst- und Kulturmagazin-Herausgeber Ernst Purk
art!st ist ganz neu aus bremen und hat doch schon diese gesetzte Sinnlichkeit eines Seidenkrawatten tragenden Strohhutbesitzers, der wunderbare Opernarien liebt, Designer -Kaffekannen, Bücher mit dicken Rücken und geschmackvollen Einbänden und kluge Frauen mit schönem Haar.
„art!st“ aber, der Künstler mit dem umgedrehten „i“, ist ein Kunst- und Kulturmagazin mit einem eigentlich wenig gesetzten Herausgeber: Ernst Purk lümmelt sich schließlich gerade erst zwischen 30 und 35 Jahren herum und ist außerdem Inhaber des Jung-Design-Büros „Banane“ am Steintor.
„Banane“ - so hieß auch der erste Streich des Ernst Purk, ein 1983er Kunststudentenprojekt und dann Prüfunsarbeit des Graphik-Designers Purk an der Bremer Hochschule für Kunst. Die werten Dozenten mümmelten dereinst etwas von reiner Anarchie: „Banane“ war eine Art Riesenbilderbuch für ästhetische Trendsetter, Epigonin der großformatigen Designpopbildzeitung Elaste aus München - schön, oberflächlich, Szeneklatsch und Reklame in unterschiedlichen Schrifttypen. „Die Dozenten haben uns dafür ganz
schön auf die Pfoten geklopft. Da kannste mal sehen, wie provinziell das hier war.“
Damit Bremen nicht in aller Provinzialität weiter vor sich hindöst, verkauft Ernst Purk unter offenbar nicht nur inspirierender Mitarbeit von Freundin Anette Unland also nun den „art!st“ - nach sechs bis sieben Jahren reinen Broterwerbs mit Firmenzeichen, Prospekten, Katalogen und Plakaten für kleine und mittelständische Bremer Betriebe. „art!st“, das qualitativ hochwertige Druckereiprodukt mit eigens dafür modifizierter Helvetica-Schrift, ist, so Purk, „ungesehen auf dem Zeitungsmarkt“: eine ästhetische Zeitschrift zu allem Ästhetischen, ein fast betulich ruhiges Anti-Wiener-Anti-Tempo-Sammlerstück zum Liebhaben über „kunst, design, fotografie, architektur, mode, musik, theater, film, literatur“ (Titel). Dieses Kunstspektrum, findet Purk, „zieht kein Heft so konsequent durch wie wir. Der Wolkenkratzer hat zwar eine ähnliche Auffächerung, aber da gibt's nicht wirklich einen Mode-oder Architektur -Schwerpunkt, da gibt's bloß Erklärungen am Rande.“
Zwischen 1000 und 2000 Heften „art!st“ müssen demnächst
über Galerien-, Museen- und aus gewählte Kiosk-Ladentische gehen, um rote Zahlen zu vermeiden. Vier Hefte im Vierteljahres takt sind fest beabsichtigt, danach sollten sich Verluste möglichst aus der Bilanz geschlichen haben. „Für Bremen allein ist art!st aber
sowieso nicht tragbar. Hier sind einfach nicht genug Leute, die das kaufen.“ Der „art!st“ soll dementsprechend demnächst überregional erscheinen. „Um nach außen verkaufen zu können, müssen wir aber natürlich auch Leute aus der restlichen Republik drinha
ben.“ Das reine Bremer Heft - wie die gerade erschienene erste Ausgabe - wird dann zum 70-zu-30-Gemisch: zwei Drittel gehören weiterhin den einheimischen Hanseaten, eines dem Rest der Welt.
Das papierne Schmuckstück
(jede Ausgabe mit Überra schungspräsent in der Deckblattklappe und Kunst-in-Bremen -Übersichtsplan zum Rausreißen für den Bummel durch Bremer Galerien) bietet, so Purk, „dem Käufer was Neues zu einem anständigen Preis“ (7,50 DM/Heft, 30 DM/Abo) und Bremer Künstlern „die Möglichkeit, sich besser zu präsentieren und ihre Arbeit darzustellen“. Anette Unland: „Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig das ist, um einen Fuß in die Tür zu kriegen.“
Dementsprechend ist der „art! st“ tatsächlich eine Kunst und kaum Publikumszeitung, ein Wälzen von ästhetischen Produkten, Produzenten, Problemen und Zuständen. Für Nichteingeweihte drömelt es im Text gelegentlich etwas tiefsinnig durch die Kunstwerkstätten, wird zuviel gelobt, bestaunt, verehrt, zuwenig geschimpft und die Kunsthelden vom Sockel geholt.
Aber schön ist er, der „art! ist“. Und wer über den matten Glanz dezenter Fotos und liebevoll ganzseitig gesetzter (das erfordert Konzentration), „gedätschter“ Helvetica streicht, kriegt zu guter Letzt vielleicht doch noch das rechte Kunstverständnis davon. p
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