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Streit um Datenschützer

■ Streit zwischen der Alternativen Liste und der SPD um den künftigen Datenschutzbeauftragten / Aus Angst vor „Filz“ soll der farblose Dr. Kerkau bleiben

„Amtsverweser“, „Waschlappen“, „Verbündeter der Innenverwaltung“ - die Urteile der AL über den seit zehn Jahren amtierenden Datenschutzbeauftragten Hans-Joachim Kerkau waren und sind nicht gerade schmeichelhaft. Zum 1.Oktober nun läuft Kerkaus Amtszeit aus, doch wenn es nach dem Willen führender SPD-Kreise geht, dann wird der neue Datenschutzbeauftragte wieder der alte sein. In seiner gestrigen Sitzung konnte sich der Senat, der dem Abgeordnetenhaus den Datenschutzbeauftragten zur Wahl vorschlägt, wegen des Streits zwischen Rot und Grün noch nicht auf einen Vorschlag einigen. Die Entscheidung wird nun für nächsten Dienstag erwartet.

Die AL hat mehrere Kandidaten für den hochdotierten Posten vorgeschlagen. Teils wurden diese Vorschläge abgelehnt, weil eine Ablösung Kerkaus dem Berliner Haushalt zu teuer käme. Als politischer Beamter hätte der erst 52jährige nämlich Anspruch auf eine sofortige Pension. Teils lehnte man die Personalvorschläge ab, weil die Kandidaten ein rotes oder grünes Parteibuch in der Tasche hatten, und der Senat den Eindruck des Filzes vermeiden möchte. Umstritten ist auch Kerkaus bisheriger Stellvertreter Hans-Jürgen Garstka, den einige SPD-Abgeordnete als künftigen Datenschutzbeauftragten ins Gespräch gebracht haben. Nur: auch Garstka ist „Genosse“ und findet zudem bei der AL keine ungeteilte Zustimmung. Garstka sei zwar „ein äußerst fähiger Mensch“, meint die AL -Datenschutzexpertin Lena Schraut, nur sei unsicher, ob er das unter zehn Jahren Kerkau gelernte Anpassungsverhalten an die Innenverwaltung, die er eigentlich kontrollieren soll, ablegen kann. Vieles aus Kerkaus Feder sei in Wirklichkeit von Garstka verfaßt, und dabei habe er sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert.

Tatsächlich gehört Kerkau zu den farblosesten unter seinen Kollegen. Fand man in den jährlichen Datenschutzberichten der anderen Länder häufig geharnischte Kritik an den Datensammlungen der Polizei, schien in der Berliner Datenlandschaft meist alles in Ordnung. Auf zahlreiche brisante Datensammlungen reagierte Kerkau erst, nachdem die Presse ihn mit der Nase darauf stieß. Erst als bekannt wurde, daß in Berlin Volkszählungsgegner beim Staatsschutz registriert wurden, setzte sich der Datenschutzbeauftragte in Bewegung.

Und als die taz 1987 recherchierte, daß der Staatsschutz ganze Listen von Leuten angelegt hatte, deren Wohn- oder Arbeitsstätte zufällig auf der Fahrtroute von hohen Staatsgästen lagen, stellte sich heraus, daß das Haus Kerkau diese heimliche Datensammlung sogar vorab abgesegnet hatte. Eine unrühmliche Rolle gespielt hat Kerkau auch bei der Debatte um das neue Melderecht. Auch bei der Erhellung des VS-Skandals hat der Datenschützer sich nicht gerade hervorgetan.

Vera Gaserow

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