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Staatsschutzkammer folgt Bundesanwaltschaft

Bei Anordnung der Haftfortdauer gegen Andreas S. folgt das OLG Frankfurt der Argumentation der Bundesanwaltschaft  ■  Aus Frankfurt Michael Blum

Frankfurt (taz) - Der 5. Strafsenat am Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt ist bei der Zurückweisung des Antrages auf Haftentlassung des Wiesbadener Startbahn-Gegners Andreas S. am vergangenen Freitag detailgetreu der Erklärung von Bundesanwalt Klaus Pflieger gefolgt. Ursprünglich wurde eine Aufhebung des Haftbefehls erwartet. Das umstrittene Gutachten des Nichtlinguisten und BKA-Oberrates Ulrich Perret hatte zuvor im Verfahren nicht standgehalten. Laut Perret existiert eine angebliche Ähnlichkeit bei Syntax, Rechtschreib- und Gramatikfehlern zwischen privater Post von S. und Bekennerschreiben der Revolutionären Zellen zu drei Anschlägen in 1987. Die privaten Briefe von S., die der Wiesbadener während einer ersten U-Haft im Winter/Frühjahr 1987/88 schrieb, wurden von dem Haftrichter und Mitglied des Staatsschutzsenats, Klein, an die BAW weitergeleitet. Das Gutachten führte im Juli vergangenen Jahres zur erneuten und seit dem andauernden Inhaftierung von S. (siehe auch taz vom 6.7. 89).

In ihrem Beschluß urteilt die Staatsschutzkammer: „Der dringende Tatverdacht gegen den Angeklagten besteht weiterhin... An der Beurteilung dieses Tatverdachts hat die durchgeführte Beweisführung nichts zugunsten des Angeklagten verändert.“ Zur Begründung führt der Senat aus, daß S. nach den Aussagen eines anderen angeklagten Startbahngegners „alles politisch begründet“ habe, „was an direkten Aktionen gelaufen“ sei. Mit „direkten Aktionen“ seien in Bekennerschreiben Anschläge bezeichnet worden. Der Senat weiter: „Schließlich ergeben sich aus der formalen Gestaltung und den Schreibleistungen“ in den Bekennerschreiben „Übereinstimmungen untereinander und Eigentümlichkeiten in der Bedienung der Schreibmaschine, die den Schreiber als ungeübt ausweisen.“ S. habe sich in einem Privatbrief aus der U-Haft selbst als schlechter Schreibmaschinen-Tipper bezeichnet. „Unter diesen Umständen kann es deshalb hier dahinstehen, ob durch das linguistische Gutachten ... der dringende Tatverdacht gegen den Angeklagten noch verstärkt wird. Zu einer Verringerung des Tatverdachts haben die Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls nicht geführt“, resümiert der Senat.

Die Verteidigung bleibt bei ihrer Ansicht: Alle aufgeführten Verdächtigungen gegen S. hätten bereits Anfang 1988 bestanden und zur Einstellung des Verfahrens durch Pflieger geführt. Andreas S. werde aufgrund „alter Kamellen“ in Haft gehalten. Die Verteidigung kritisiert zudem, daß sich Bundesanwalt Pflieger bei der vom Senat zur Begrüngung herangezogenen Erklärung auf Aussagen des Startbahngegners und in der Szene als Verräter gehandelten Michael K. gestützt habe. Michael K. sei als Zeuge noch nicht in das Verfahren eingeführt.

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