piwik no script img

Die Swapo hat ihre Unschuld verloren

■ Namibias Befreiungsbewegung rechtfertigt die Folterung von Gefangenen mit der Kriegssituation

Offenbar schafft es keine Befreiungsbewegung der Dritten Welt, in ihrem eigenen Handeln der militärischen Logik zu entgehen, die ihr der Gegner aufdrückt. Während die Swapo noch abwiegelt, obwohl die Folterungen von Gefangenen nicht mehr zu bestreiten sind, kommt erste Kritik auch aus der europäischen Solidarität. - Swapo-Chef Sam Nujoma hat gestern in Aussicht gestellt, im künftigen Staat Namibia auf eine Jagd nach mutmaßlichen Kollaborateuren des alten Regimes zu verzichten.

„Mit größter Bestürzung haben wir die unbedingt glaubwürdigen Meldungen zur Kenntnis genommen, daß unter der Verantwortung der Swapo Menschen auf schreckliche Weise gefoltert und zu Unrecht jahrelang verhaftet worden sind.“ So beginnt ein „offen gemeinter Brief an die Swapo“, den die Frankfurter Hilfsorganisation medico international vor zwei Tagen an die „lieben Freunde und Freundinnen“ der namibischen Befreiungsbewegung schickten. Folterungen könnten, so der Brief weiter, nicht hingenommen werden, „auch dann nicht, wenn solche Untaten im Zeichen des euch aufgezwungenen Krieges und im Rahmen der Infiltration des südafrikanischen Geheimdienstes geschehen sind“.

Die „South West Africa People's Organization“ (Swapo) mußte mit einer solchen Kritik rechnen. Spätestens seit sie Anfang Juni 1989 im Beisein von Presse und Rotem Kreuz einen Teil ihrer Gefangenen aus Lagern in Südangola freiließ, war klar: Auch diese Befreiungsbewegung hat schmutzige Hände, auch hier wurde mit Gewaltmethoden, die denen des Gegners ähneln, vorgegangen.

Damals konnte die Swapo-Führung noch hoffen, daß sich die Wogen der Empörung bis zu Beginn des Wahlkampfes im Juli glätten würden. Schließlich war der Austausch von Gefangenen Teil des Namibia-Friedensplans, und auch Südafrika sollte Swapo-Gefangene freilassen, was man freilich bisher nicht getan hat.

Doch spätestens seit im Laufe der letzten Woche 50 der Entlassenen - viele davon ehemalige Swapo-Aktivisten, die von ihrer eigenen Organisation in Haft gehalten worden waren - sich zu einem „Politischen Konsultativrat“ zusammenschlossen und auf einer Pressekonferenz in Windhuk am 6.Juli der Swapo massive Folter und mehrfachen Mord vorwarfen, muß sich die Befreiungsbewegung, die sich gerade zur politischen Partei transformiert, mit ihrer jüngsten Vergangenheit auseinandersetzen. Ob sie das will oder nicht.

In einer „Swapo-Erklärung“ vom vergangenen Donnerstag wird die Äußerung des ehemaligen Swapo-Aktivisten Otniel Kaakunga, es habe mehr als 100 Morde gegeben und immer noch würden über 1.000 Menschen gefangengehalten, als „üble Unterstellung“ bezeichnet, Kaakunga und andere werden „südafrikanische Spione“ genannt. Im zweiten Absatz der Presseerklärung mit dem Titel Lügen gewinnen keine Wahlen betont die Swapo-Führung jedoch ausdrücklich, daß sie jegliche Folter ablehne. „Wann immer eine solche Methode benutzt wurde, war es in einer extremen Situation. Jener des brutalen Krieges mit Südafrika, der dem namibischen Volk aufgezwungen wurde.“

Keine Zweifel mehr

An der Folterung und Mißhandlung von Gefangenen gab es spätestens nach der Präsentation physischer Narben keinen Zweifel mehr. Die Anti-Apartheid-Bewegung Bonn verweist jetzt in einer Presseerklärung darauf, daß die Swapo „Fehler“ eingestehe: „Die Führung betont, daß sie Folterungen nicht billige.“ Im folgenden wird der Kontext des blutigen Kolonialkriegs aufgerollt, der 20.000 Tote forderte und durch „Aktivitäten von Spitzeln“ erschwert wurde. „Die Swapo mußte daher mutmaßliche Spitzel isolieren. Untersuchungen waren unter Kriegsbedingungen nur sehr schwierig durchzuführen. Die Inhaftierung auch zu Unrecht Verdächtigter war nicht auszuschließen. Der Verlust von Verwandten und Freunden durch die brutale Aufstandsbekämpfung Südafrikas ließ sicherlich beim Verhörpersonal und bei den Aufsehern der Swapo den Haß auf mutmaßliche Spitzel und damit die Bereitschaft zur Gewaltanwendung wachsen. Aufgabe der Führung wäre gewesen, die Mißhandlung von Gefangenen soweit zu unterbinden, wie dies unter den äußerst schwierigen Bedingungen des ihr aufgezwungenen Kriegs möglich war.“

Die Solidaritätsorganisation „begrüßt“ des weiteren die Ankündigung der Swapo, den Foltervorwürfen nachzugehen und „von den Verantwortlichen Stellungnahmen zu verlangen“. Menschenrechtsverletzungen müßten für die Zukunft ausgeschlossen sein.

Ein Statement ganz im Sinne der Swapo. Mehrmals äußerte sich deren außenpolitischer Sprecher Theo Ben Gurirab in der namibischen Presse der letzten Tage, um „ein Ende des Kapitels Krieg, Gewalt und Feindschaft“ einzuklagen. Der Konjunktiv wird beibehalten, da wo längst ein Indikativ angebracht ist: Wenn Swapo-Offiziere Gefangene gefoltert „hätten“, so Gurirab am Wochenende auf Wahlkampfveranstaltungen, dann „müßten sie zur Verantwortung gezogen“ werden. „Wenn die Anschuldigungen stimmen, dann entschuldige ich mich bei den Opfern und ihren Eltern.“

Eine Entschuldigung reicht medico international nicht aus. Die Organisation verlangt mehr von der Swapo, wenn diese glaubwürdig bleiben wolle: Uneingeschränkte Rehabilitation und soziale Versorgung der Opfer, sofortige Freilassung möglicher weiterer Gefangener, Bildung einer unabhängigen Untersuchungskommission zu den Vorfällen und „unnachsichtige Bestrafung“ der Verantwortlichen. „Ihr sollt wissen, daß diese notwendigen Schritte international von Euch erwartet werden.“

Andrea Seibel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen