DDR-Film in der Schauburg

■ DDR gipst Beethoven

Beethoven als real-existierender Film-Held ist ungefähr so spannend wie seine Totenmaske. „Beethoven, Tage in einem Leben“, kommt 13 Jahre nach seiner DDR-Entstehung in das bundesdeutsche Lichtspielhaus und macht aus dem Kino eine epische Anstalt. Der Film wurde in der DDR direkt nach dem Anlaufen wieder abgesetzt, weil Günter Kunert am „Szenarium“ mitgewirkt hatte und gleich danach für Biermann eingetreten war.

Ludwig van Beethoven (Donatas Banionis), Mega-Komponist, schwerer Brüter und Dränger, Anti-Held kindheitlicher Sonntagmorgen und der mit der vorgeschobenen Unterlippe, die immer beleidigt aussieht - das ist aber Geniewille und Unbill.

Beethoven im Wien der DDR. Wir erleben einen Rastlosen, von dem schon abzusehen ist, daß er einmal die Klavierschüler der Welt ins Gipsauge fassen wird. Einer mit Freunden und Brüdern, die sehen aus wie „früher Deix“ und räsonnieren aufrecht, weil der Törtchenkragen, der Halsabschneider, es will. Es war auch einmal eine Frau, die hat in Rückblenden ein jugend- und beethovengefährdendes Dekollete und heißt „Unsterbliche Geliebte“, weil sie von Anfang an als Erinnerung angelegt ist, aus der komponist Trauer schöpfen und ausdrücken kann. Im dunkelbraunen Zuhause ist er kein ungemütliches Ungetüm, draußen ein echter Freigeist und sogar ein bißchen unliebsam, daraus läßt sich was machen, zum Beispiel das Primat politischen Bewußtseins im Künstler statt Himmelskraft, die wahre Wunder schafft. Im Hintergrund dräuen heftig schätternd die neunte, die sechste, die fünfte (tatata-taa), und bei „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ werden Reitsoldaten mit Premierenpublikum versetzt. Wie das makaber ist, aber um so mehr zusammengehört!! Applaus dem Schlachtfeld. So sind sie, die citoyens. Dafür die Farben! Satt unnatürlich mit etwas siechem Sepia und den Wattebauschkonturen aus den Märchenfilmen der 50er. Aber weil die ZuschauerIn brechtgetreu nicht mitleiden soll, sondern was lernen, wird viel über Kunst, Künstler und Gesellschaft theoretisiert, hübsch aufgeteilt in Kapitel, damit klar ist, in welche Richtung unsere Überlegungen gehen müssen. Nach ca. anderthalb Stunden - Beethoven ist nun schon fast taub und so unsterblich verwahrlost, wie nur ganz besonders Unsterbliche und Frauenlose und vom 26. Hausmädchen Verlassene (dummes Ding!) verwahrlosen - sieht man ihn beim soundsovielten Umzug mit Pferdewagen, sein Blick wie mit Scheuklappen nur noch auf die Zukunft gerichtet, durch Wiener Gassen ziehen. Doch, was ist das? Gerade noch im Gäßchen, plötzlich auf der Karl-Marx-Allee in Ostberlin! Beethoven umflossen vom Trabbi aller Art. Die Zukunft hat also schon begonnen! Wenn das keine rational faßbare Darstellung eines abstrakten Begriffs mit Hilfe eines Bildes und einer Person ist!

Claudia Kohlhase