: Die Zündschnur für den nächsten Streik ist gelegt
■ Unmut und Enttäuschung über Wissenschaftssenatorin Riedmüller / „Umgang wie mit politischen Gegnern“, beklagen die StudentInnen / Vertrauensvorschuß des rot-grünen Senats schon aufgezehrt? / Der erhoffte neue Politikstil blieb bisher aus
„Wir dachten, sie hört uns als politische Partner an“, resümiert eine Studentin ihre Erfahrungen mit der Senatorin, „aber dann ist sie mit uns umgegangen, als ob wir ihre Gegner seien.“ Verwundert und verwirrt verließ eine StudentInnengruppe vor einigen Tagen den Amtssitz der Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller-Seel. Die Gruppe gehört zu den StudentInnen, die am Institut für Technischen Umweltschutz an der TU gegen den massiven Widerstand der Professoren versuchen, Studienreformen durchzusetzen.
Die Senatorin hatte sie zu einer Anhörung eingeladen. „Wir wollten ihr konkret erläutern, was wir an unserem Fachbereich machen und welche Bedeutung die Studienreformprojekte für uns haben“, erzählt eine Studentin. „Ohne die Projekte, und das heißt: ohne daß sie finanziell abgesichert werden, sind Studienreformen an unserem Fachbereich gestorben.“ Aus der Anhörung wurde jedoch nach dem Eindruck der StudentInnen ein politischer Schlagabtausch, bei dem sie erfuhren, daß StudentInnen früher ohne Geld für Uni-Reformen gekämpft hätten und bei dem sie psychologische Ratschläge für den Umgang mit ihren Professoren erhielten.
Mit ihrer Enttäuschung über die Wissenschaftssenatorin stehen die TU-Umweltschutz-StudentInnen nicht allein. In den vergangenen Wochen hat sich an den Hochschulen und Fachhochschulen so viel Ärger über die Senatorin angesammelt, daß manche ProfessorInnen und StudentInnen bereits eine neue Protestwelle im Wintersemester erwarten. Vor allem die drohende Drei-Prozent-Kürzung der Hochschul -Etats hat das Faß des universitären Unmuts randvoll gefüllt. Sollte Riedmüller-Seel die Haushaltskürzungen nicht abwenden können, droht vor allem den studentischen Studienreformprojekten der finanzielle Knockout.
An der TU arbeiten bereits zahlreiche Gruppen an der Vorbereitung von Projekten. Ohne die vom rot-grünen Senat in Aussicht gestellten Gelder können die Projekte nicht starten - die Vorbereitungen wären für die Katz. Der Unmut über die Senatorin ist daher an der TU am stärksten und reicht bis in die Uni-Spitze. Mangelndes Interesse an der Studienreform wird ihr vor allem von StudentInnen vorgeworfen. In der drohenden Haushaltskürzung sehen einige von ihnen einen offenen Bruch der Koalitionsvereinbarung.
Enttäuschung hat sich aber auch darüber breitgemacht, daß kaum etwas von einem neuen Politikstil zu spüren ist. Bei Konflikten - wie bei der Frage, ob die Frauenbeauftragte fest angestellt oder zeitlich befristet gewählt werden soll
-spiele sie einzelne Gruppen und Universitäten gegeneinander aus. Bei politischen Entscheidungen verstehe sie es nicht, sich den universitären Sachverstand zunutze zu machen. Immer noch würden die Unis zu wenig an den Entscheidungen beteiligt.
Riedmüller-Seel wird zugestanden, daß sie sehr viele betroffene Gruppen einlädt und anhört. Wie die TU -Umweltschutzstudenten haben viele jedoch den Eindruck, daß die Senatorin solche Termine weniger zur „Anhörung“ im Sinne des Wortes nutzt, als zur Darstellung ihrer Standpunkte. Aus der AL wird ihr vorgeworfen, daß sie trotz der vielen Anhörungen die universitären Gruppen nicht systematisch in die Entscheidungsfindung einbeziehe: „Einen kooperativen Politikstil hat sie noch nicht entwickelt.“ Statt dessen fürchten Universitätsvertreter, die der Koalition nahestehen, daß sie die Macht ihrer konservativen Verwaltung unterschätzt, Sand ins rot-grüne Getriebe zu streuen. So habe die Verwaltung als Vorbereitung für das Hochschulgesetz nur fehlende Spielräume für Reformen vorgeführt, statt Handlungsspielräume aufzuzeigen.
Bei einer Besprechung von Hochschulvertretern mit Riedmüller-Seel hatten die Teilnehmer aller Hochschulen den Eindruck, daß der Vertrauensvorschuß des rot-grünen Senats an den Universitäten schon jetzt weitgehend aufgezehrt ist. Einen offenen Konflikt wollten zwar alle vermeiden, doch angesichts des aufgestauten Unmuts beschrieb ein Uni -Vertreter die Lage so: „Die Zündschnur liegt, auch das Streichholz liegt bereit. Es muß nur irgendwer zünden, dann geht es an den Universitäten wieder hoch!“
wist
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