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Kirchen setzen Dritte-Welt-Gruppen unter Druck

Dritte-Welt-Handelsorganisation GEPA vor der Zerreißprobe: Stimmen die Basisgruppen Professionalisierung nicht zu, wird die GEPA liquidiert  ■  Von Dietmar Bartz

Die Bezeichnung „Alternativ-Multi“ findet Jan Hissel unzutreffend - für die unmittelbare Zukunft jedenfalls. „Im Moment haben wir überhaupt noch keinen Apparat für neue Absatzwege“, begründet der Geschäftsführer der Dritte-Welt Handelsgesellschaft GEPA. Das soll sich allerdings bald ändern, wenn es nach den Plänen geht, die in der GEPA -Zentrale in Schwelm ausgearbeitet werden. Die Vorbehalte aus der Dritte-Welt-Szene an der angestrebten Professionalisierung sind indes so stark, daß die beiden Kirchen mit der Liquidierung der Firma drohen, wenn sich die Kritiker, die ebenfalls Miteigentümer der GEPA sind, dem neuen Modell nicht beugen.

Drei Viertel ihres 18-Millionen-Umsatzes macht die GEPA mit den dreihundert bundesdeutschen Dritte-Welt-Läden und Büchertischen von Aktionsgruppen. Sie beziehen von den Händlern in Schwelm ausgewählte Produkte, deren Herstellung basisdemokratischen und ökologischen Kriterien entsprechen. Durch die mitgelieferten Informationen sollen zugleich Möglichkeiten für die Dritte-Welt-Bildungsarbeit geboten werden. Der Markt für solche Produkte, so Hissel, sei aber bedeutend größer. Viel mehr Interessenten wären erreichbar, wenn politisch und ökologisch „saubere“ Produkte etwa auch in Supermärkten oder Bio-Baumärkten verkauft werden könnten. Auch den Herstellern in der Dritten Welt sei damit gedient. So nehme die GEPA einer Kooperative in Sri Lanka derzeit etwa 20 Tonnen Bio-Tee ab - „aber wir könnten auch hundert Tonnen verkaufen“. Für einige Produkte wie etwa pflanzliche Bodenbeläge seien zudem die bisherigen Absatzwege schlichtweg ungeeignet: „Man kann doch nicht aus einem Dritte-Welt-Laden einen Baumarkt machen.“ Und schließlich macht der GEPA-Geschäftsführer auch Vergleichszahlen aus den Nachbarländern geltend. Die niederländische Schwesterorganisation mit ausgeklügeltem Vertrieb verbucht auf ihrem viel kleineren Markt einen Umsatz von 15 Millionen Mark; in der Schweiz sind es immer noch sechs bis sieben Millionen.

Die Kritiker hingegen befürchten Abstriche an den mitgelieferten Informationen, wenn die Produkte supermarkt -tauglich gemacht werden. Eva Boesenberg vom Dachverband entwicklungspolitischer Aktionsgruppen in Baden-Württemberg (DEAB) weiß auch gleich ein Beispiel: So habe in den Niederlanden der Name „Sauberer Kaffee“ geändert werden müssen, als er in die Supermärkte kam und die Kaffee -Konzerne ihr eigenes Pulver damit plötzlich als „unsauber“ dargestellt sahen. Die Arbeitsgemeinschaft der Dritte-Welt -Läden (AG 3WL) wirft der GEPA-Geschäftsführung vor, immer mehr am Handel und immer weniger an der Bildungsarbeit interessiert zu sein. Konsequenz: Die Schärfe der Auseinandersetzungen innerhalb der GEPA-Gremien nahm in den letzten Monaten bis zur Beschlußunfähigkeit zu und hat durch die Vorlage eines neuen Gesellschaftsvertrags jetzt ihren Höhepunkt erreicht. „GEPA bootet kleine Gesellschafter aus“, überschrieben DEAB und der Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) eine gemeinsame Presseerklärung.

Denn der Umbau der GEPA in ein professionelles Unternehmen wird von den beiden Kirchen mitgetragen. Sie sind die beiden größten der insgesamt sieben GEPA-Gesellschafter: Insgesamt 96 Prozent Anteile besitzen das katholische Hilfswerk Misereor und der evangelische Kirchliche Entwicklungsdienst (KED). Hinzu kommen noch zwei kirchliche Jugendorganisationen und die drei oppositionellen Verbände: die AG 3WL und zwei Vertreter von Basisgruppen. Der entscheidende Unterschied zwischen alter und neuer GEPA -Satzung: Bislang waren für Vertragsänderungen und für das Alltagsgeschäft fünf der sieben Stimmen notwendig, wenn nicht ohnehin im Konsens entschieden werden mußte. In Zukunft können Beschlüsse von einer Dreiviertel-Mehrheit des Kapitals gefällt werden. Wird diese Vertragsänderung auf der Gesellschafterversammlung am 21. Juli tatsächlich beschlossen, können die beiden Kirchen den Kurs der GEPA alleine festlegen.

Der neue Vertragsentwurf geht da durchaus auch inhaltlich ins Detail. So wurde etwa die Passage, KundInnen „zu persönlichem Handeln anzuregen“, zur Formulierung, sie zu „verändertem Verbraucherverhalten“ zu veranlassen. Vorgesehen sind nicht mehr „Maßnahmen aller Art zur Verbesserung des entwicklungspolitischen Verständnisses“, sondern „Maßnahmen aller Art, die der Verbreitung der Idee des fairen Handels dienen“. Und flachfallen soll in Zukunft ein Absatz, der bisher die Erwirtschaftung von Gewinnen untersagte. Allzu viele Möglichkeiten, ihren Einfluß auf die GEPA zu sichern, haben die drei kritischen Verbände nicht. Warner Conring, KED-Geschäftsführer, spricht offen aus, was passiert, wenn keine Einigung über einen neuen Vertrag zustandekommt: „Falls es nicht mehr geht, werden wir die GEPA liquidieren und mit neuem Namen und neuem Ziel neugründen.“ Die Entscheidungsstruktur stamme noch aus der Anfangszeit der Dritte-Welt-Solidarität. Conring: „Die GEPA wurde wie ein Familienbetrieb geführt, wo immer jeder mitreden konnte. Das kann sie nicht mehr durchhalten.“

Nun gehören Dritte-Welt-Läden nicht gerade zu den florierendsten Teilen der Einzelhandels-Branche, rechnet Hissel vor: Durchschnittlich machen sie winzige 15- bis 20.000 Mark Umsatz pro Jahr. Daß die neuen Vertriebswege den Läden endgültig den Garaus machen können, sieht er allerdings nicht. Als der Kleinbauern-Kaffee in die niederländischen Supermärkte kam, sei das genaue Gegenteil eingetreten: „Die haben nicht weniger Kaffee verkauft, sondern mehr.“ Die Kundschaft habe durch die Informationen im Supermarkt gemerkt, daß die Dritte-Welt-Läden noch weitere Produkte anböten. Hissel: „Denen geht's jetzt allen viel besser.“

„Das ist Einschätzungssache“, meint DEAB-Geschäftsführerin Eva Boesenberg dazu; das dortige Interesse am ehedem „sauberen“ Kaffee sei nicht auf die BRD übertragbar. Hier gehe es vor allem um den Konflikt zwischen Bewußtseinsbildung und Handelsausweitung. „Da muß man sich entscheiden, was einem wichtiger ist.“

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