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Kulturkampf ums Badevergnügen

■ Auch Bundesfinanzminister Theo Waigel mischt jetzt im Oldenburger Schwimmbadstreit mit

Der SPD schwimmen in Oldenburg die Felle davon. Mit ihrem Ratsbeschluß vom 19. Juni, einen Bürgerantrag zum Erhalt des Schwimmbades Haarenesch abzulehnen, haben sich die regierenden Sozialdemokraten ein dreiviertel Jahr vor der niedersächsischen Landtagswahl in eine unliebsame Situation manövriert. Stimmten sie auf der entscheidenden Ratssitzung gemeinsam mit CDU und FDP noch selbstherrlich für das „Plattmachen“ des Stadtteilbades, so mußten sie bereits wenige Tage später unter dem Eindruck massiver Entrüstung den unorganisierten Rückzug antreten.

Plötzlich hieß es, über den Kauf des Geländes, das von der Bundesvermögensstelle als Treuhänderin bundeseigener Grundstücke verwaltet wird, solle doch verhandelt werden. Bei einem „angemessenen Preis“ werde die Stadt Grund und Boden übernehmen, ohne allerdings das Bad weiterzubetreiben.

Noch während der Ratssitzung hatten die Grünen der SPD die Koalitions-Gefolgschaft aufge

kündigt, sollte sich deren sozial-und kulturpolitische „Bürgerfeindlichkeit“ durchsetzen. Zum Haushalt 1990 verweigerten die Grünen ihre Zustimmung.

Im SPD-Ortsbezirk Mitte votierte die Mehrheit für den Erhalt des Bades, nachdem es von den eigenen Familienmitgliedern, älteren Leuten und Nachbarn geharnischten Protest gehagelt hatte. Den SPD -Fraktionsvorsitzenden Werner Rettig, Landtagskandidat im Wahlkreis Mitte, beschlich zunehmende Sorge um die eigene politische Zukunft. Unzählige Parteigänger hatten öffentlich angekündigt, der SPD vorläufig die Stimme zu verweigern, bliebe es bei der Schließung des Bades.

Die Sozialdemokraten traten die Flucht nach vorne an. Die überteuerten Preisvorstellugen der Bundesvermögensstelle verhinderten den Ankauf, hieß es. Doch auch der Bundesfinanzminister fiel der Stadt Oldenburg in den Rücken. In einem eigenhändig signierten Brief teilte Theo Waigel am 14.Juni der Bürgerinitiative Haarenesch mit, daß „mein Haus bereits am 19. April

1989 der Stadt Oldenburg die gesamte Liegenschaft zum Erwerb angeboten und Zahlungserleichterungen in Aussicht gestellt“ habe. Der im Finanzministerium in Bonn zuständige Referatsleiter Steinke erklärte auf Nachfrage, daß die Stadt zunächst ihr „grundsätzliches Erwerbsinteresse bekunden müsse“, bevor gemeinsam mit der Bundesvermögensstelle eine Wertermittlung stattfinden und Kaufverhandlungen geführt werden können. Bis zum heutigen Datum aber, das versicherten Mitarbeiter der Oldenburger Bundesvermögensstelle, sei die Stadt zu keiner Verhandlung bereit gewesen.

Daß sich dennoch im Kulturkampf um das Schwimmbad etwas bewegt, belegen die sich häufenden Verhandlungen der letzten Wochen. Der Bau- und Planungsausschuß der Stadt verhängte über das Gelände eine zweijährige Veränderungssperre und kennzeichnete es als Grünfläche im Flächennutzungsplan. Damit ist ein Verkauf als Bau-und Spekulationsgrundstück zunächst ausgeschlossen. Am Montag traf

sich die SPD-Parteiprominenz mit dem „Verein zur Förderung des Freizeitsports“, der das Bad auch in Zukunft betreiben will, um die Unterhalts- und Sanierungszuschüsse abzusprechen. Zwar war die Atmosphäre nach Auskünften von Gesprächsteilnehmern „sehr mies“ - unter dem Druck der Verhältnisse aber scheine die SPD die ursprüngliche Konzeption (die Stadt kauft das Gelände, Verein und Bürgerinitiative betreiben das Bad) für zunächst fünf Jahre akzeptieren zu wollen.

Am Mittwoch verhandelten SPD-Fraktionsspitze und die vollständig erschienene Grünen-Fraktion. Nach Informationen der taz haben sich beide auf eine gemeinsame Position geeinigt, die den Ankauf des Geländes, den Weiterbetrieb des Schwimmbades und Zuschüsse für den Betrieb vorsieht. Stimmt die komplette SPD-Fraktion am Montag diesem Kurswechsel zu, wollen die Grünen auf der anschließenden Ratssitzung auch dem Haushalt ihr Plazet geben.

Andreas Hoetzel

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