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„Ich halte nichts von pazifistischen Thesen“

 ■ I N T E R V I E W

Der 38jährige Industrieingenieur war bis Mai 1982 einer der wichtigsten Wirtschaftsberater der Revolutionsregierung. Nach Verhängung des Notstandes setzte Alfredo Cesar sich ins Exil nach Costa Rica ab. Später wurde er ins Direktorium der Vereinigten Contra gewählt und nahm 1988 an den Verhandlungen mit der sandinistischen Regierung teil. Er ist bisher der einzige Contra-Führer, der nach Nicaragua zurückgekehrt ist und an den Wahlen teilnehmen will. Derzeit ist er Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Nicaraguas (PSD) und eine der führenden Figuren in der Oppositionsallianz UNO.

taz: Sie geben sich sehr gemäßigt und beteiligen sich doch an einer Allianz mit der extremen Rechten. Ist das nicht ein Widerspruch?

Alfredo Cesar: Wenn die UNO von der extremen Rechten kontrolliert wäre, wäre das etwas anderes. Die Rechte ist beteiligt, aber die wichtigste Achse bilden die gemäßigten Kräfte bis zur Linken.

Würden Sie eine Wahlniederlage hinnehmen?

Ich habe es bereits öffentlich gesagt: Nach einem sauberen und gerechten Wahlprozeß akzeptiere ich jeden Sieger, auch wenn es die FSLN ist. Und diese Einstellung sehe ich auch bei den meisten anderen Parteien.

Aber nicht bei allen?

Nein, aber bei der Mehrheit. Und die Demokratie funktioniert mit Mehrheiten. Auch in Europa gibt es Rechtsextreme, die eine Minderheit bilden, aber die Demokratie nicht gefährden, weil die Mehrheit sich aus vernünftigen Personen zusammensetzt.

Glauben Sie denn, daß die Bedingungen für faire Wahlen bestehen?

Ich glaube, selbst wenn es diese Bedingungen nicht gibt, muß man sie erkämpfen und an den Wahlen teilnehmen.

Ist es denkbar, daß die UNO im November oder Dezember feststellt, daß die Bedingungen nicht gut genug sind und sich zurückzieht?

Meine persönliche Meinung ist, daß der Wahlboykott unsererseits völlig ausgeschlossen ist.

Sie haben bei der Contra eine nicht ganz durchsichtige Bündnispolitik verfolgt: einmal mit dem ultrarechten Oberst Bermudez, dann wieder gegen ihn. Haben Sie die Option der bewaffneten Konterrevolution ausgetrickst?

Ich glaube vielmehr, daß ich dazu beigetragen habe, daß das Opfer, das so viele bewaffnete Campesinos im Laufe der Jahre gebracht haben, nicht umsonst gewesen ist, sondern sich in politischen Konzessionen niederschlägt.

Kann man mit diesem Ergebnis soviel Tod und Zerstörung rechtfertigen?

Ich halte nichts von pazifistischen Thesen, also Frieden um jeden Preis.

Und all die nachweislich verübten Grausamkeiten?

Ein Bürgerkrieg ist eine sehr harte, eine sehr grausame und schwierige Angelegenheit. Es ist verständlich, daß in einem so unterentwickelten Land wie Nicaragua, in einem Krieg zwischen Brüdern, Grausamkeiten begangen werden; und ich glaube, die Europäer sind die letzten, die uns da Vorwürfe machen können, gerade in diesem Jahrhundert.

Das Interview führte Ralf Leonhard

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