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Leningrader Parteichef geschaßt

■ Juri Solowjow, der bei den Volksdeputiertenwahlen gescheitert war, verliert sein Amt / Beginnt jetzt eine Absetzungsserie gegen die Wahlverlierer? / In den Kohlegruben von Kuznezk streikten 12.000 Kumpel

Moskau (afp/dpa/ap/taz) - In Leningrad ist der bisherige Parteichef der Stadt, Juri Solowjow, von seinem Amt zurückgetreten. Am Dienstag war Gorbatschow überraschend nach Leningrad gereist. Als Grund seiner Reise wurden Probleme in der Stadt nach den Wahlen zum Kongreß der Volksdeputierten genannt. Solowjow, hatte im März nicht einmal die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen erreichen können. Die Leningrader Volksfront hatte mit ihrer Kampagne für eine beschleunigte Umsetzung der Perestroika der dortigen Parteiführung landesweit die größte Niederlage beigebracht. Radikale Reformer aus den Reihen der Partei hatten daraufhin die Einberufung eines außerordentlichen Parteitages und personelle Konsequenzen an der Spitze gefordert, die Gorbatschow mit seinem demonstrativen Besuch jetzt eingeleitet hat. In der Folge ist damit zu rechnen, daß alle Funktionäre, die bei den Wahlen durchgefallen sind, ihre Posten in Partei und Staat räumen müssen. Über den Zustand der Leningrader Partei meinte der Generalsekretär, sie versinke in Apathie, während das Leben drumherum koche. Solowjow hatte sich beim Angriff der Leningrader Wissenschaftlerin Galina Andrejewa auf die Reformkräfte vor einem Jahr auffallend zurückgehalten. Zum neuen Parteichef wählte das Gebietskomitee den Chemiker Boris Gidaspow, der sich gegen zwei Mitbewerber behaupten konnte.

Am Montag meldet die 'Prawda‘ sind in der westsibirischen Stadt Meschduretschensk, im Kuznezker Kohle-Becken, 12.000 Kumpel in den Ausstand getreten. Nach Verhandlungen mit der örtlichen Parteivertretung und dem Minister für Kohlebergbau, Tschtschadow sollen sie ihren Streik am Donnerstag abgebrochen haben. 36 der 42 Forderungen der Bergleute sollen demnach erfüllt worden sein. Anlaß des Streiks waren die katastrophalen Lebensbedingungen in dieser Region. 10.000 Familien warteten auf eine Wohnung, die Krankenhäuser seien Ameisenhaufen und die Regale der Lebensmittelgeschäfte seien leer, schrieben die Zechenarbeiter in einem Brief an die Gewerkschaftszeitung 'Trud‘ bereits im Januar. Auch ihre Vorsprache beim städtischen Parteikomitee vergangene Woche wurde dort offensichtlich nicht ernst genommen. Dort forderten sie so elementare Dinge wie 800 Gramm Seife im Monat, ein Handtuch und warme Kleidung für den Winter. Die 'Prawda‘ äußert sich sehr verständnisvoll zu den Vorgängen und verschweigt auch nicht die Teilnahme Hunderter Parteimitglieder an dem Streik. Insbesondere hebt sie die Disziplin der Streikenden hervor.

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