: Radio Bremen: Tollhaus und grundgesetzfreie Zone
■ Karola Sommerey verbietet Mitarbeitern das Diskutieren / Gutachten bescheinigt RB-Führungsebene mangelhafte Menschenführung und Mißmanagement
Carola Sommerey, Radio Bremens Programmdirektorin Hörfunk, geht zurück an die Basis. Seit gut einer Woche taucht sie
mit schöner Regelmäßigkeit in den Räumen der „Rundschau“ auf, um dort an den Redaktionssitzungen teilzunehmen. Und wie
immer, wenn Frau Sommerey irgendwo auftaucht, weht sofort ein frischer Wind. Erst stellte sie fest, daß „das Regionale auf den
Hund gekommen ist“, und gab zu, was sie andernorts immer bestreitet: „Natürlich haben wir Hörer verloren, ist doch logisch“, dann untersagte sie in einer „offiziellen Erklärung“ den Mitarbeitern'künftig während der Dienstzeit über Zustände in der Abteilung Regionales zu sprechen.
Was die Mitarbeiter intern nicht mehr tun dürfen, macht Frau Sommerey dagegen extern um so kräftiger. Gegenüber der Presse warf sie der Redaktion vor, Themen zu verpennen. Kritik des Redakteursausschusses an der Programmreform bezeichnete sie als „Schwachsinn“ und „blödsinnige Schwätzerei.“ Was wiederum die Rundschaumitarbeiter auf den Plan rief, die sich in einem offenen Brief an den Indendanten „pauschale Diffamierungen“ von Seiten Sommereys verbaten und eine Entschuldigung forderten. Und auch von anderer Seite wird Indendant Klostermeier einen Brief in Sachen Sommerey bekommen. Der Personalrat erklärte den Maulkorb-Erlaß der Programmdirektorin in seiner
letzten Sitzung für unerträglich und fragt sich nun, ob Radio Bremen weiterhin zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gehöre.
Die Anwesenheit der Programmdirektorin bei den Redaktionssitzungen der Rundschau soll aber nicht nur die MitarbeiterInnen disziplinieren, es ist auch eine indirekte Mißtrauenserklärung an den Abteilungsleiter Regionales und bisherigen Sommerey-Favoriten Nils von Haken. Der hat es bislang nicht ansatzweise geschafft, dem dritten Programm ein eigenes Profil zu geben. Folge: Radikaler Hörerschwund fürs Dritte und haufenweise Beschwerdebriefe, die nicht einmal beantwortet werden..
Doch nicht nur von Hakens Abteilungsleiter-Vertrag ist gefährdet, die Programmdirektorin selbst müßte sofort den Hut nehmen, wenn ein Gutachten der Unternehmensberatungsfirma Congena ernstgenommen würde. Die Firma untersucht zur Zeit die Strukturen im Sender und kommt zu einem vernichtenden, vom Direktorium bislang top secret ge
haltenen Urteil über die Führungsebene: Dort getroffene Entscheidungen seien für die Mitarbeiter oft nicht nachvollziehbar, undurchschaubar und deshalb uneffektiv. Deshalb seien die Mitarbeiter demotiviert und hätten innerlich bereits gekündigt. Kurz: Menschenführung und Management mangelhaft.
Nicht nur die Programmdirektion, auch die Verwaltung bekommt eine katastrophale Note: Der EDV-Einsatz im Haus sei völlig unkoordiniert. Es fehle an einer Vernetzung der verschiedenen Computer. Folge: Die EDV kann nicht ihren Möglichkeiten entsprechend eingesetzt werden.
Unterdessen wurde in Hamburg eine Reichweitenstudie der norddeutschen Sender vorgelegt. Ergebnis: Die Hansawelle hat zwar noch 41 Prozent der Hörer im Bremer Sendegebiet aber sechs Prozent verloren. FFN dagegen hat wieder Boden wettgemacht und liegt bei 21 Prozent. Und die Stimmung im Sender: „Das ist ein Tollhaus hier,“ sagt einer und ein anderer: „Eigentlich müßte die gesamte Direktion
den Hut nehmen.“
hbk
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