piwik no script img

Mit Chomeinis Geiseln an die Macht

■ Wie Ronald Reagan die Wahlen gewann

Jürgen Roth/Thomas Giefer

„Das gibt es nicht.“ „Wo sind denn die Beweise?“ „Dubiose Zeugen aus dem zwielichtigen Milieu von Nachrichtendiensten und Waffenhändlern.“ „Warum steigt die amerikanische Presse nicht darauf ein?“ Fragen und nochmals Fragen, die vor allem eine Funktion haben: einen ungeheuerlichen Verdacht abzuwehren, der, würde er sich offiziell bestätigen, zumindest die gegenwärtige US-Administration in ihren Grundfesten erschüttern müßte. Mit unabsehbbaren Konsequenzen für die USA und auch Europa. Das kann doch einfach nicht wahr sein, war denn auch die typische Reaktion auf den Dokumentarfilm „Mit Chomeinis Geiseln an die Macht“, den die ARD am 2.Juli ausstrahlte.

In dem Film ging es um den Nachweis, daß der amerikanische Präsident Ronald Reagan genau wie sein damaliger Vize George Bush die Präsidentschaftswahlen im Jahre 1980 manipuliert hatte. Und zwar dadurch, daß sie einen Deal mit Chomeinis Schergen arrangierten. Die Geiseln, die seit dem 4.November 1979 in der US-Botschaft in Teheran gefangengehalten wurden, dürfen erst nach den Präsidentschaftswahlen am 4.November 1980 beziehungsweise nach Amtseinführung von Präsident Reagan freigelassen werden. Als materielles Zeichen tiefer Dankbarkeit erhalten die Mullahs im Gegenzug Waffen. Ein Geschäft also, das Watergate und Irangate eigentlich weit in den Schatten stellt - aber merkwürdigerweise kaum untersucht wurde und wird.

Wenn schon kaum die amerikanischen Medien sich des Themas annehmen, kann man eigentlich die bundesdeutschen Medien vergessen. Es ist die alte Leier. Falls keine Agenturmeldungen verbreitet werden, hüten sich die zumeist etwas schlafmützigen und ängstlichen Kolleginnen und Kollegen, ein Thema aufzugreifen, das einer näheren Betrachtung und Analyse auch in der Sommerpause wert wäre. Ein politischer Skandal in den Vereinigten Staaten mit vielen Berührungspunkten nach Europa und in die Bundesrepublik hinein.

Noch sind die Recherchen nicht ganz abgeschlossen. Können das bei diesem Thema auch nicht sein. Denn wie bei keinem anderen Projekt hat es Warnungen und Hinweise gegeben, die Finger „von der Sache“ zu lassen. Im Elsaß beispielsweise greift der Waffenhändler Gantzer in seinen Koffer, holt Bankbelege heraus, aus denen ersichtlich wird, daß führende Chomeini-Politiker über dicke Konten in der Schweiz verfügen, schließt sie dann aber gleich weg. „Das ist alles zu gefährlich. Lassen Sie die Hände davon.“ Im biederen Sauerland, in einer Einöde, wagt sich ein bundesdeutscher Waffenhändler nicht vor die Tür und läßt über seinen Anwalt erklären: „Selbst wenn Sie mir zigtausend Mark geben, werde ich Ihnen nichts sagen.“

Ein südafrikanischer Waffenhändler droht den „Strick“ an und beschreibt uns die „Kugeln“, mit denen wir rechnen müssen“. In Frankreich werden von irgendwelchen suspekten Figuren die Dreharbeiten genau verfolgt und nach Amerika weitergemeldet. Dort wird einem Kollegen, der am nachdrücklichsten und intensivsten recherchiert, auf verschiedenen Ebenen zu verstehen gegeben, daß er „die Finger von der Sache lassen soll“ - das wäre „nur etwas für die Geschichte“. „Die Sache“ ist, daß Ronald Reagan und George Bush selbst oder ihre Wahlkampfhelfer im Jahre 1980 die Wahlen mit Hilfe der iranischen Mullahs manipulieren ließen. Und zwar dadurch, daß die Geiseln in Teheran als Ergebnis einer engen Abstimmung zwischen Reagans Leuten und Chomeinis Abgesandten, erst nach den Wahlen freigelassen werden. Deshalb also die Angst, daß die Öffentlichkeit davon erfährt? Oder ist es die Tatsache, daß ein paar Regierungen in Europa den florierenden Waffenhandel mit dem Iran nicht nur duldeten, sondern auch förderten? Daß einige Politiker selbst kräftig mitverdienten?

In Teheran jedenfalls gelten die Amerikaner im Jahr 1979 als Satan, als der Mullahs bestes Propagandamittel, um die eigene politische Unabhängigkeit zu feiern. Weil die USA der erklärte Erzfeind des iranischen Volkes war, wirkte es besonders stimulierend, daß der verhaßte Schah zur Krebsbehandlung in die USA einreisen durfte. Übrigens gegen den erklärten Willen des damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter. Die Folge war die Besetzung der US-Botschaft in Teheran am 4.November 1979 und die darauffolgende Geiselnahme von 55 US-Botschaftsangehörigen. Die Bilder der gefesselten US-Geiseln gingen durch die Welt. Hinzu kam noch, daß man Berge von CIA-Dokumenten in den Tresoren der Botschaft fand. Und die zeigten, wie eng die USA mit dem Schah zusammengearbeitet hatten.

CIA-Akten in den Tresoren gefunden

Als Reaktion auf die Schmach, die der Weltmacht USA angetan wurden, sperrte Jimmy Carter alle iranischen Vermögenswerte auf amerikanische Banken und verhängte ein totales Embargo über den Iran. Darunter fielen auch jene Waffen, die der Schah in den USA gekauft und schon bezahlt hatte, die nun aber nicht mehr ausgeliefert werden durften.

Wochen und Monate vergingen mit Verhandlungen zwischen der Carter-Regierung und dem damaligen iranischen Staatspräsidenten Banisadr - doch die Geiseln kamen nicht frei. Es ist müßig, über die Gründe zu diskutieren, warum das so war. Beteiligte in Carters Regierung, wie der ehemalige Sicherheitsberater Gary Sick, haben darüber Bücher geschrieben. Es sind merkwürdigerweise Erinnerungen, die eine ganz bestimmte Zeitspanne auslassen. Die Zeit zwischen September und November 1980: die entscheidende Phase des Wahlkampfes in den USA, der Machtkampf zwischen dem noch amtierenden US-Präsidenten Jimmy Carter und seinem Herausforderer Ronald Reagan.

Jimmy Carters Präsidentschaft ist gesichert, so alle Umfragen dieser Zeit, wenn es ihm gelingt, noch vor den Wahlen die Geiseln freizubekommen. Im September und Oktober 1980 lag er in der Regel um vier bis fünf Prozentpunkte vor Reagan. Die Lösung der Geiselfrage ist daher für Carter und Reagan von entscheidender Bedeutung. Reagans Wahlkampfmannschaft wird von William Casey, mit Unterstützung Henry Kissingers, geführt. Der Exsicherheitsberater Kissinger soll es auch gewesen sein, der als gewiefter Stratege die Geiselfrage funktionalisierte: Die Geiseln durften erst nach den Präsidentschaftswahlen freikommen. Doch die Frage war: Wie läßt sich das strategische Denken in die Praxis umsetzen?

Am 22.September 1980 überfallen irakische Truppen den Iran. Beginn des über acht Jahre dauernden Golfkrieges. Schon wenige Tage nach dem Überfall entstehen die ersten Nachschubprobleme. Der Iran ist auf Waffen angewiesen. Da der größte Teil der iranischen Armee mit US-Waffen ausgerüstet ist, muß das Militär nach amerikanischen Ersatzteilen Ausschau halten. Das haben sie schon seit Wochen getan, aber vergebens. Und jetzt ist Krieg. Doch die dringend benötigten Waffen und Ersatzteile sind blockiert, und die Carter-Regierung denkt überhaupt nicht daran, Rüstungsgüter an den Erzfeind zu liefern. Die Reagan-Leute allerdings waren nicht an der Regierung und konnten viel versprechen. Das wird später von entscheidender Bedeutung sein.

Carter wurde im September 1980 immer heftiger gedrängt, und zwar von diversen iranischen Unterhändlern aus Chomeinis Umfeld, Waffen freizugeben. Dann würden auch die Geiseln freikommen, hieß es. Doch Carter lehnte ab. Trotzdem kam es zu einem hochkarätigem Treffen in Bonn. Zwischen dem 18. und 22.September 1980 flog Carters Unterhändler Warren Christopfer nach Bonn, um einen neuen Versuch zur Lösung des Geiselproblems zu machen. Mit dabei war Außenminister Genscher und Sadegh Tabatabei, ein enger Vertrauter von Ayatollah Chomeini. Inzwischen hatten die Amerikaner erkannt, daß ihr bisheriger Verhandlungspartner, Staatspräsident Banisadr, in Teheran nichts mehr zu sagen hatte. Und die einzigen, die jetzt noch helfen könnten, so erinnert sich Gary Sick, waren diejenigen, die eigentlich für die Geiselnahme verantwortlich waren: Chomeinis Leute.

Wußte Genscher von dem Deal?

In der Vergangenheit hatte der Iran immer darauf bestanden, Waffen geliefert zu bekommen. Jetzt war Carters Unterhändler Christopfer zum ersten Mal bereit, Waffen im Wert von 150 Millionen Dollar, insbesondere Ersatzteile, freizugeben. Doch während bislang fast täglich Telexe im Weißen Haus eingingen, mit der Forderung, Waffen zu liefern, blieb es nach diesem Gespräch in Bonn über eine Woche lang vollkommen ruhig. Im Krisenstab des Weißen Hauses konnte man sich nicht erklären, warum plötzlich kein Interesse mehr an den Waffen bestand. Einer wußte warum, und der hüllte sich in Schweigen: Außenminister Genscher. Ihm, so amerikanische Geheimdienstquellen, habe Tabatabei am 24.September erzählt, daß Carter die Geiseln niemals freibekommen werde, schon gar nicht vor den Wahlen. Genscher wußte sein Geheimnis zu wahren, was ihm Carters damaliger Außenminister Cyrus Robert Vance bis heute verübelt.

In dieser Phase meldete sich ein amerikanischer Waffenhändler im Weißen Haus. Houshang Lavi galt als Mann mit guten Verbindungen. 1978 hatte er im Auftrag der amerikanischen Regierung wichtige Ersatzteile für Raketensysteme, die von den USA an den Schah geliefert wurden, in Teheran wieder ausgebaut und in die USA zurückgebracht. Lavi machte nun den Vorschlag, daß er vermittelnd tätig sein könne, was die Freilassung der Geiseln angeht. Doch nur, wenn die USA Ersatzteile für F-14 -Flugzeuge liefern würden. Aber Carter lehnte ab. Das hielt Lavi nicht davon ab, weiter sein Glück zu versuchen. Er traf sich am 2.Oktober im Washingtoner Plaza-Hotel mit Vertretern des Reagan-Bush-Wahlkampfteams. Es waren Richard Allen, McFarlane und Willian Casey. Denen machte er das gleiche Angebot wie Carter; mit einer Ergänzung: Wenn Carter die Waffen liefere, werden die Geiseln freikommen - das war Lavis erstes Angebot. Wenn Reagan die Waffen liefere, könne man ja etwas anderes arrangieren. Und das war wohl ein erster entscheidender Schritt für den kommenden Deal.

Denn William Casey, der später unter Reagan zum CIA -Direktor gepuscht wurde, bildete Ende September/Anfang Oktober eine besondere Gruppe. Ehemalige CIA- und FBI -Angehörige, die den liberalen Jimmy Carter zur Hölle wünschten und alles dafür täten, damit Reagan oder Bush die Wahlen gewänne. Es war ein feingesponnenes Netz hochkarätiger Nachrichtenleute, die sowohl im Weißen Haus wie im CIA ihre Vertrauten hatten und denen alle Informationen über das, was Carter plante, zugetragen wurde.

Die Gruppe hatte den bezeichnenden Namen „October Surprise“ (Oktober-Überraschung). Sie sollte verhindern, so Ibrahim Razin, ein ehemaliger hoher CIA-Funktionär, daß „Carter die Geiseln freibekommt und die Wahlen gewinnt“. Über die Aktivitäten dieser Gruppe wußte auch Stansfield Turner Bescheid. Er war unter Carter Chef des CIA. „Sie haben Spione eingesetzt, um herauszufinden, ob aus den US -Militärbasen Ersatzteile für Waffen geliefert werden oder noch irgendeine Befreiungsaktion gestartet wurde, um die Geiseln freizubekommen.“ Ansonsten schweigt sich Stansfield Turner aus. Auf die Frage, warum der CIA nicht mitbekommen hat, welche Verhandlungen im Oktober zwischen Reagan-Bush -Leuten und Chomeinis Abgesandten stattgefunden haben, zuckt er nur die Schulter und bewegt Backgammon-Steine auf grünem Filz. Wenn man ihn aber darauf anspricht, jeder wisse doch, daß die USA im Oktober über dem Iran extra einen Nachrichtensatelliten aufgestellt hätten - man wollte ja schließlich mitbekommen, was in Teheran besprochen wurde -, dann reagiert Turner mit kaum verhaltener Wut. „Sie glauben doch nicht im Ernst, daß wir alles mitgehört haben?!“ Außerdem sei die Frage nach dem Nachrichtensatelliten der Versuch, „militärische Geheimnisse aus ihm herauszubekommen“.

Geheimnisse wurden damals offenbar viele weitergereicht. Tatsache ist jedenfalls, daß es einen regen Kommunikationsverkehr zwischen der Wahlkampfmannschaft von Reagan und Bush, befreundeten europäischen Geheimdienstpersönlichkeiten und den Mullahs in Teheran gegeben haben muß. Einer der Beteiligten war der ehemalige CIA-Kontaktmann Richard Brenneke. Bis 1968 lehrte er als Dozent für Mathematik in New York und ließ sich dann vom CIA anwerben. Zu seinem Job gehörte es, Trust-Companies in Europa aufzubauen. Treuhandgesellschaften in der Schweiz, über die Geld gewaschen wurde, die aus dem Drogenhandel stammten. Gelder, mit denen dann wiederum CIA-Operationen in Lateinamerika finanziert wurden. Das war eine von Brennekes Spezialitäten. Richard Brenneke war aber einer der ersten, der über geheime Treffen der Reagan-Bush-Wahlkampfförderer in Paris öffentlich gesprochen hat. Eines der Treffen, so Brenneke, fand am 20.Oktober im Hotel Florida statt. „Es waren anwesend: Robert Benes, Madame Robert, William Casey und Donald Greeg.“ An die kann er sich jedenfalls erinnern.

Spion, Noriega-Freund

jetzt Botschafter in Südkorea?

Robert Benes und Madame Robert waren in dieser Zeit Mitarbeiter des französischen Auslandsspionagedienstes. Benes im Range eines Majors. Donald Greeg arbeitete im Weißen Haus unter Carter, und viele vermuten, daß er einer derjenigen war, die schon 1980 wichtige Informationen aus dem Weißen Haus an Reagans Wahlkampfmannschaft lieferte. Immerhin stieg er danach zu einem der engsten Vertrauten von George Bush auf.

Seinem Ruf schadete es auch nicht, daß Greeg mit Panamas Drogenpräsident Noriega einige Geschäfte getätigt haben soll. Jedenfalls zeigt sich Georg Bush seinem alten Mitarbeiter dankbar. Greeg soll jetzt zum Botschafter in Südkorea ernannt werden, muß sich aber noch mit einem Untersuchungsausschuß herumschlagen.

Bei diesen Treffen in Paris, die nicht nur im Hotel Florida, sondern auch im Hotel Raphael und im Hilton stattgefunden haben sollen, waren von iranischer Seite Chomeinis Sohn Ahmet, Hamit Nagashan, ein Oberst der iranischen Waffenbeschaffungsbehörde aus London und Sadegh Tabatabei dabei. Exstaatspräsident Banisadr behauptet sogar, „auch Rafasandjani ist eingeflogen“.

Bei diesem Treffen Mitte Oktober jedenfalls sei den Reagan -Leuten der Durchbruch gelungen: „Die Geiseln werden erst nach den Wahlen am 4. November freigelassen, als Ausgleich erhält der Iran die Waffen, die Carter nicht liefern wollte“, so Brenneke. Mit am Verhandlungstisch saß Houshang Lavi. „Ich war selbst beteiligt am Verkauf von Waffen aufgrund dieses Handelns. Das war alles bekannt.“ Und stolz fügt er hinzu, was seine darauffolgenden Waffengeschäfte betrifft: „Ich bin deshalb nie verhaftet worden.“

Ganz im Gegensatz zu anderen Beteiligten an diesem Deal. Da sitzt beispielsweise in einem kleinen properen Gefängnis, 200 km westlich von Washington entfernt, William Hermann. Er wurde 1985 in Großbritannien verhaftet, weil er Falschgeld bei sich trug. William Hermann behauptet, daß er das Falschgeld im Auftrag der CIA transportiert habe. Doch die will heute nichts mehr von ihm wissen. „Ich war zur falschen Zeit am falschen Platz. Die Großen sind geschützt, und die anderen müssen die Verantwortung übernehmen“, sagt er.

Jedenfalls ist William Hermann ziemlich sauer auf seine ehemaligen Auftraggeber, gleichzeitig aber auch vorsichtig in seinen Aussagen. Schließlich endet im November dieses Jahres seine Haftstrafe, was er nicht gefährden möchte.

Immerhin erzählte er, daß er im Januar 1981 in Teheran war und dort einen alten Freund traf: Hamat Nagashan. Der habe ihm berichtet, daß im Oktober mit den Reagan-Leuten vereinbart wurde, die Geiseln erst nach den Wahlen und der Amtseinführung von Reagan freizulassen. Als Gegenleistung würde man Waffen erhalten. Nagashan ist kein Unbekannter. In italienischen Polizeiunterlagen ist er seit 1981 als Drogen und Waffenhändler der iranischen Regierung aktenkundig.

1985 wird er in der Bundesrepublik gerichtsbekannt. Zusammen mit einem Expolizisten aus dem Sauerland wollte er 2.500 Panzerabewehrraketen im Wert von 27,6 Millionen Dollar einkaufen. Damals fungierte er als „Sonderminister“. Der „Sonderminister“ taucht wenig später wieder in der Schweiz auf. 1986 und 1987 bietet ein V-Mann der amerikanischen Drug -Enforcement Agency (DEA) in Teheran Waffen an. Nagashan, so ein Telex, ist bereit, in das Geschäft einzusteigen. In dem Telex, direkt aus dem Pasdaran-Ministerium, bestätigt Nagashan, daß die Vermittlungsprovision für das Waffengeschäft in Form von Drogen bezahlt werden soll: 300 kg Heroin. Proben davon sollten über diplomatische Kuriere von der Iranischen Botschaft in Bonn in die iranische Botschaft nach Bern gebracht werden. Hamit Nagashan kann sich übrigens, genauso wie sein Kollege Sadegh Tabatabei, bis zum heutigen Tag unbehindert in der Bundesrepublik aufhalten, und sie sind sicher nicht hier, um den idyllischen Schwarzwald zu durchwandern. „Obwohl,“ so amerikanische Quellen, „man das wohl im Bundeskriminalamt zu denken scheint.“

Hamit Nagashan jedenfalls war während der Treffen in Paris anwesend, und zwar im Hotel Rapahel. Von ihm und anderen weiß man, daß es drei Verhandlungsgruppen gab. Eine Topgruppe. In ihr waren amerikanische und iranische Politiker, etwa Nagashan, Ahmet Chomeini, Wilkliam Casey und Donald Greeg vertreten.

Diese Gruppe, zu der Brenneke gehörte, organisierte die finanziellen Transaktionen; schließlich ging es darum, die Waffenlieferungen zu finanzieren und darüber hinaus erhebliche Profite für die Beteiligten abzuzweigen. Profite, die heute in Marabella in Immobilien angelegt sind.

Die dritte Gruppe, in der Houshang Lavi saß, organisierte die Waffenlieferungen. Der Kern des Geschäftes: Die Mullahs halten die Geiseln bis nach der Amtseinführung von Reagan fest. Nach Reagans Wahl strömen die Waffen in den Iran. Geiseln 29 Minuten nach Reagans Amtsantritt frei

Barbara Honneger war 1980 im Wahlkampfstab von Reagan zuständig für politische Analysen und die Auswertung von Nachrichten. Als sie am 27. Oktober 1980 im Operationszentrum des Wahlkampfstabes die Elf-Uhr -Nachrichten auswerten wollte, herrschte plötzlich Feiertagsstimmung. „Bisher war eher alles ziemlich deprimierend und auf einmal dieser Umschwung“, wundert sich Barbara Honneger. „Feiert jemand Geburtstag?“ fragte sie deshalb eine Mitarbeiterin im Wahlkampfstab. „Ja“, erhielt sie zur Antwort. „In gewisser Hinsicht ist es Ronald Reagans Geburtstag. Wir brauchen uns um die Oktoberüberraschung keine Sorgen mehr zu machen. Dick cut the deal.“

Der Deal, signalisierte jedenfalls die Stimmung in der Wahlkampfmannschaft von Reagan, war abgeschlossen.

Ein Deal, der in seiner Skrupellosigkeit nur durch die bisherige Geheimhaltung übertroffen wurde. Die Geiseln kamen nicht im Oktober frei, nicht im November sondern am 20. Januar 1981. Und zwar genau in 20 Minuten nachdem Ronald Reagan vor dem Weißen Haus seine Antrittsrede gehalten hatte, durfte das Flugzeug mit den 62 Geiseln starten. Alles schien aufeinander abgestimmt. Nur ein Zufall? Aber ist so etwas unserem amerikanischen Bündnispartner, dessen demokratische Wurzeln so fest verankert sind, überhaupt zuzutrauen?

Richard V. Allen, damals wichtigster politischer Berater in Reagans Wahlkampfmannschaft, plauderte am 7. November 1986 in der McNeil-Lehrer-Television-Hour über die Geiselaffäre. Um Reagans Entschlußkraft zu loben, dem er inzwischen als Sicherheitsberater gedient hat, erzählt er, daß damals eine Geisel nicht in das Flugzeug in Richtung Heimat steigen durfte. „Am nächsten Tag ging ich zum Präsidenten und sagte ihm, daß noch eine Geisel in Teheran sei. Präsident Reagan sagte mir: „Get the word out that the deal is off, unless she's on the plane.“ (Sag ihm, daß der Deal nicht zustandekommt, wenn die Geisel nicht freikommt) Am nächsten Tag war das Problem gelöst. Und das Geschäft konnte harmonisch durchgezogen werden.

Es dauerte dann auch nicht lange, und die Waffen, die Reagans Leute den Iranern versprochen hatte, wurden in den Iran verschifft. Einige über Argentinien, andere über Portugal oder Israel. Und besonders viele und wichtige, so zahlreiche Beteiligte, kamen aus Nato-Lagern in Südbelgien, Norditalien und - wen wundert es - auch aus der Bundesrepublik.

Houshang Lavi selbst besichtigte mit iranischen Waffeneinkäufern und amerikanischen Offizieren die US-Depots in Aschaffenburg und inspizierte ferner die US-Militärbasis in Kitzingen, wo die Ersatzteile für HAWK -Luftabwehrbatterien gelagert sind, die der Iran dringend benötigte. Manchmal besuchten die hohen Militärs ganz ungeniert auch die US-Depots in Germersheim in Rheinland -Pfalz. Es entstanden keine Probleme, die Waffen von den US -Militärbasen aus über Ramstein oder die Frankfurter Rhein -Main Air Base, nach Israel oder direkt nach Teheran zu fliegen.

Es ist kaum vorstellbar, daß die deutschen Behörden von diesem massiven Waffentransfer aus Lagern in der Bundesrepublik in den Iran nichts mitbekommen haben sollten. Teilweise waren sogar die HAWK-Luftabwehrbatterien in der BRD nicht mehr einsatzfähig, weil wichtige Ersatzteile in den Iran verkauft worden waren.

Beim Wort Verkauf gilt es an den Verdienst zu denken. Das wird der eigentliche Grund sein, warum so viele Leute Angst haben, daß die Geschichte ans Licht kommt. So behauptet CIA -Aussteiger Ibrahim Razin steif und fest, auch einige bundesdeutsche Politiker, die sehr genau über den Waffen -Geisel-Handel Bescheid wußten, hätten an dem Handel kräftig mitverdient. Politiker die kassiert haben sollen. Was ja eigentlich nicht weiter verwunderlich ist. Zwar öffneten die Amerikaner ihre Waffendepots. Aber das waren keine Geschenke für die iranischen Waffeneinkäufer. Dafür mußten gewaltige Beträge bezahlt werden. Eine 100prozentige Gewinnspanne war damals durchaus üblich. Lavi jedenfalls verkaufte schon 1981 HAWK-Raketen in den Iran, aus den US-Depots in Kitzingen.

Allgemein wird geschätzt, daß der Iran zwischen 1981 und '83 Waffen aus US-Beständen im Wert von drei Milliarden DM erhalten haben soll. Und das trotz offiziellem US-Embargo. Nur Zufall, daß die offiziellen Senatsuntersuchungen zum Irangate-Skandal im Jahre 1987 auf den Zeitraum ab 1984 beschränkt wurden? Wäre damals herausgekommen, daß die Waffenlieferung schon viel früher begonnen haben, Präsident Reagan und sein damaliger Vize hätten politisch wohl kaum überlebt. Irangate begann schon 1981

Was ist demnach heute sicher? Jimmy Carter hat die Wahlen wegen der Geiselaffäre verloren. Ronald Reagan und sein damaliger Vize George Bush sind die Gewinner. Die Geiseln kamen erst nach der Amtseinführung von Reagan frei. Sofort nach Reagans Amtsantritt erhielt der Iran Waffen aus US -Beständen. Der Deal wurde abgeschlossen. Ein ganz normales politisches Geschäft? Eine schöne, das Bild abrundende Geschichte erzählt der Pariser Rechtsanwalt Christian Bourguet. Er war 1980 der offizielle Vertreter iranischer Interessen bei der Geiselaffäre gewesen. 1981 sei er vom damaligen iranischen Außenminister kontaktiert worden. Der wollte in Teheran einen Regierungswechsel herbeiführen, um den Einfluß von Chomeneini zu beschränken und den Golf-Krieg zu beenden. Er hätte schon genügend Militärs, die ihn unterstützen. Bourguet sollte für ihn in Washington sondieren, wie sich die Reagan-Regierung bei einem Regierungswechsel in Teheran verhalten würde.

Bourguet flog nach Washington und fragte im State -Department, ob sich die US-Regierung bei einem Machtwechsel neutral verhalten würde. „Nein,“ erhielt er zur Antwort. Die Gründe, die ihm genannt wurden: „Erstens wird Chomeini von dem überwiegenden Teil der Bevölkerung getragen, zweitens wird sich an den politischen Verhältnissen auf absehbare Zeit nichts ändern, und drittens ist Chomeinis Regierung ein antikommunistisches Bollwerk.“ Deshalb werde man sich bei einem Machtkampf in Teheran auf die Seite von Chomeini schlagen.

Diese Erfahrung deckt sich mit dem, was Staatspräsident Banisadr während eines Gesprächs mit Chomeini zu hören bekam. Banisadr beschwerte sich darüber, daß die Geiselverhandlung über seinem Kopf hinweg von Chomeinis Anhängern blockiert wurden. „Ich“, so erinnerte sich Banisadr in seinem Pariser Exil, „habe ihm gesagt, daß sie dadurch Reagan zum Präsidenten machen.“ „Um so besser. Er hat zwar nicht wörtlich gesagt, um so besser daß noch mehr Blut vergossen wird. Aber er hat gesagt, um so besser, wenn die Krise sich in der Welt verschärft. Davon können wir nur profitieren.“

Und es gab viele, die damals von der Krise profitierten und das auch heute noch tun. Denn eines ist sicher: Die Geschäfte und Kanäle, die damals vorbereitet wurde, funktionieren bis zum heutigen Tag. Ob Waffen oder Drogen die gleichen Wege, die gleichen Nachrichtendienste und die gleichen Politiker, die schon 1980 verwickelt waren, sind auch heute noch mit von der Partie.

Der Autor Jürgen Roth lebt als freier Publizist in Frankfurt. Er hat in den letzten Jahren mehrere Bücher über den internationalen Waffenhandel, über professionelle Waffenhändler und speziell das Geschäft mit dem Golfkrieg vorgelegt. Nach seinem Buch über den Golfkrieg wurde er durch iranische Fundamentalisten massiv bedroht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen