: Die Jahrhundert-Parade und ihr Schöpfer
Die große Schau sollte in Abwandlung der Nationalfarben blau -weiß-rot „Bleu, blanc, Goude“ heißen. „Goude“ wie ihr Schöpfer Jean-Paul Goude, und „Goude“ - so wie Franzosen das englische „good“ aussprechen. Vielleicht war der Schöpfer abergläubisch und wollte den Erfolg nicht vorwegnehmen, oder aber er mißtraute dem Wetter (zumindest der Wettervorhersage, die seit Wochen streikt), nun hat sein Spektakel von gestern nacht ganz schlicht „La Marseillaise“ geheißen, und im Untertitel weniger bescheiden „Parade der Völker des Planeten“.
Etwas Besonderes für den zweihundertsten 14.Juli sollte her. Christian Dupavillon, Vertrauter von Kulturminister Lang, beauftragte darum vor einem Jahr den 48jährigen Werbefachmann Jean-Paul Goude mit der Ausarbeitung einer Parade auf den Champs-Elysees für den Festabend. Die Franzosen mögen Paraden, an jedem 14.Juli defiliert morgens die traditionelle Militärparade über die alte Prachtstrasse und Machtachse. Doch das Jubiläumsjahr verlangte mehr. Kulturmanager Dupavillon: „Wir wußten durch Umfragen, daß die Franzosen von einem großen, staunenerregenden Fest träumten. Von einem modernen Spektakel, das Formen der zeitgenössischen Kunst, Bild, Werbung integriert. Diese Veranstaltung muß zeigen, daß das revolutionäre Erbe fruchtbar ist und daß man sich dessen in einer heiteren Art bedienen kann.“
Dupavillon scheint ins Schwarze getroffen zu haben, denn schon Wochen im voraus haben sich die Medien der Goude -Parade wie eines herrenlosen Kindes angenommen. 6.000 Teilnehmer hat Goude für seinen Karneval der Revolution rekrutiert. Eine Art getanztes Bilderbuch der Marseillaise und der Revolutionszeit sollte es sein, 98,5 Millionen Francs (ca. 30 Millionen Mark) standen ihm als Budget zur Verfügung. Ein großer Teil dieser Summe wurde durch den weltweiten Verkauf der Fernsehrechte zusammengebracht.
Historisches Herangehen liegt dem Schöpfer allerdings weniger. (Früher war Goude Artdirektor bei 'Esquire‘ in New York, dann wurde er Imageschöpfer der Sängerin Grace Jones und schließlich machte er für Orangina und Kodak Reklame.) Es heißt, Dupavillon habe dem Sohn einer amerikanischen Tänzerin erst noch einige historische Bände über die Revolution besorgen und alte Stiche fotokopieren müssen, um dem Mangel an Historie abzuhelfen.
Goudes Botschaft ist eher universell: die der Völkerfreundschaft, weshalb er auf die äußerst originelle Idee kam, echte Repräsentanten der Völker mitmarschieren zu lassen. Und nicht nur echte Russen, die als Garden des Leninmausoleums verkleidet im Stechschritt die Perestroika verkünden, sondern auch echte Inder und echte Elefanten.
Sabine Seifert
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