ZWISCHEN DEN RILLEN

 ■ Zurück zur Currywurst: Ein aktuelles Interview mit Herbert

G.

Herbert, du hast eine neue Single gemacht: „Grönemeyer kann nicht tanzen“. Das sind ja ganz ungewohnte, sehr selbstkritische Töne, die da zu hören sind: „Hackt Sätze. Nuschelt. Hat den Jaul, nicht den Soul. Klingt leicht abgestochen“ usw. Warum schreibt einer, dessen Platten mehrfach Platin holen und dessen Tourneen durchweg ausverkauft sind, sowas?

Herbert G.: Naja, meine Freundin sagt in letzter Zeit immer öfter, Herbert, du bist so dröge, so Ö, so öd, so langweilig, auch untenrum und so, und deine Lieder, die kann ich einfach nicht mehr hören - mach doch mal was Lustiges! Und das fällt mir halt nicht leicht, ich bin ja doch mehr der zähe, der schwerblütige Typ. Aber ich will davon weg, von dieser Sinnhuberei, von diesem bedeutungsschwangeren Kram.

Du gehst sehr hart ins Gericht mit dir: „Krank hospitalistisch - autistisch“. Geht es dir wirklich so schlecht? Siehst du dich wirklich so negativ?

Herbert G.: Das mit dem Körper, das ist schon schlimm. Das ist ja ein Gefängnis. Mein Tanzlehrer war Joe Cocker, der hat mir alles beigebracht. Das prägt natürlich, da bleibt was hängen. Früher hab ich Sachen geschrieben wie „auf Körpern übernachtet und versagt“, oder hör dir nur den Refrain an (beginnt zu singen): „Die Seele verhökert, alles sinnentleert, keine Heimat, keine Heimat mehr“ - das ist doch der schiere Stuß gewesen. Ich wollte da endlich einen klaren Schlußstrich ziehen, eine Bilanz.

Also ein neuer Grönemeyer, wie man auch schon am Cover erkennen kann: rosa, grün, mit - pardon - ziemlich aufgeschwemmtem Outfit, drei Doppelkinne usw.?

Das Foto ist echt, das ist vor drei Jahren im Berliner Tempodrom aufgenommen. Ich wollte mich neu präsentieren, so, wie ich wirklich bin. Ich möchte endlich ehrlich sein, auch zu meinen drei Kinnen endlich stehen können, weg von diesem geföhnten Helden-Image, Dreitagebart und alles, das Jim Rakete mir immer verpaßt. Ich bin ja doch mehr der wildgewordene Bankkaufmann, und das sollen meine Fans auch sehen, die sind ja genauso.

Gewidmet hast du die Platte Dieter Dehm, Wolfgang Niedecken, Ina Deter, Klaus Lage, Maffay, Kunze und all den anderen. Warum?

Ich bin ja nur die Spitze eines Eisbergs, und was wir da gemacht haben die letzten Jahre, dieses auf progressiv getünchte nackte Entsetzen, das ist ja in höchstem Maße eine optische und akustische Belästigung gewesen, und das wird ja immer schlimmer, das hört ja nicht auf, dieses Gejaule. Ich dachte, ich könnte da vielleicht ein gutes Beispiel geben, und wenn morgen Wolfgang Niedecken sein Karohemd auszieht und öffentlich erklärt, daß er nie wieder diese kölsche Mümmelei machen will, dann ist viel erreicht.

Du bist weg von der EMI, bei einer kleinen Independent -Firma, dem Bremer Weser Label. Ist das Teil deines neuen Konzepts?

Ja sicher. Ich will zurück, zurück auf die Straße, zurück zur Currywurst. Von der stamme ich ab, und das soll auch wieder jeder sehen können.

Interview: Steffen Simon

Grönemeyer kann nicht tanzen, Weser Records/Efa 2447