: Chinas Führung verschärft Zensur
■ Ausländische Presse beschlagnahmt / Bücher sollen vernichtet werden / Tausende orthodoxer Funktionäre, die 1985 und 1986 entlassen wurden, werden reaktiviert / US-Senat will härtere Sanktionen durchsetzen
Peking/Washington (ap/wps/afp/dpa/taz) - Chinas Führung verschärft auch ideologisch den Kampf gegen „bürgerlich liberale“ Ideen, die sie für die blutig niedergeschlagene Demokratiebewegung verantwortlich macht. Der neue Generalsekretär der chinesischen KP, Jiang Zemin, hat zu strafferer ideologischer Kontrolle der Jugend vor allem an den Universitäten aufgerufen, um junge Leute „vor den Einflüssen westlicher Kultur zu schützen“. Zugleich wurde der Verkauf ausländischer Zeitschriften und Zeitungen in Peking verboten, an einzelnen Verkaufsständen noch verhandene Blätter beschlagnahmt.
Doch auch vor einheimischen unliebsamen Druckerzeugnissen soll das Volk geschützt werden. Das staatliche Amt für Presse- und Verlagswesen hat angeordnet, daß alle chinesischen Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, deren Texte mit den jüngsten Protesten in Verbindung stehen, vernichtet werden. Diese Anordnung wurde mit Eilvermerk an alle Provinzregierungen weitergeleitet.
KP-Chef Jiang Zemin will zur Umsetzung seines Umerziehungsprogramms „ein hochqualifiziertes Kontingent zur ideologisch-politischen Arbeit“ bilden, das junge Leute an den Universitäten einer „marxistischen Erziehung“ unterziehen soll. Erziehungsminister Li Tieying sagte zum Abschluß einer viertägigen Konferenz zur Hochschulpolitik, an der die Parteispitze teilnahm, „Marxismus und die Ideen Mao Zedongs“ müßten die Bildung bestimmen. Aber auch in den Fabriken sind Politkomitees unterwegs. Sogenannte „Arbeitsgruppen“ sind von der Partei in die Betriebe, Läden und sogar auf Gemüsemärkte geschickt worden, um die in den letzten Jahren eingeführten Prinzipien liberaler Marktwirtschaft rückgängig zu machen und die Vorherrschaft orthodoxer marxistisch-leninistischer Ökonomie wiederherzustellen. Zu diesem Zweck sind Tausende von alten, ideologisch konservativen Funktionären reaktiviert worden, die ihre politische Erziehung zum größten Teil noch als Bauernguerilleros vor 1949 erhalten hatten. Sie waren im Zug der ökonomischen Reformbewegung 1985 und 1986 aus ihren Ämtern in Partei, Staat und Management entlassen worden.
Neben der ideologischen Aufrüstung läuft die Justizkampagne ungebremst weiter. Seit Anfang Juni wurden 12 Menschen hingerichtet und 2.000 verhaftet. Am Wochenende sind in Shanghai vier Teilnehmer der Protestbewegung zu drei bis zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Einer von ihen hatte Steine gegen einen Zug geworfen, der in eine Demonstrantengruppe gefahren war. Der oberste Richter Chinas, Ren Jianxin, hat harte Strafen für „Rebellen“ gefordert. Zwar sei ein entscheidender Sieg errungen worden, aber einige hätten noch nicht aufgegeben. Geständige sollten milde behandelt werden.
Die Haltung westlicher Länder zu China bleibt unverändert. US-Präsident Bush warnte vor einer völligen Isolierung Chinas. Immerhin beschloß der G-7-Gipfel in Paris, die Weltbank solle bis auf weiteres keine Projekte in China fördern.
Der US-Senat hat mit 81 gegen zehn Stimmen in der Nacht zum Samstag zusätzlich zu den bisherigen Sanktionen schärfere Maßnahmen gegen die Regierung in Peking gefordert. Die Senatoren schlugen vor, die Genehmigung von Finanzhilfen für US-Exporte nach China zu verzögern, in internationalen Gremien darauf zu drängen, daß China keine neuen Kredite erhält, die weitere Gewährung der Meistbegünstigungsklausel im Handel zwischen den USA und China zu überprüfen und alle Handelsabkommen, Weltraumabkommen und Verträge über eine friedliche Nutzung der Atomenergie ebenfalls einer Prüfung zu unterziehen.
Günter Schabrowski aus dem SED-Politbüro überbrachte Chinas Parteichef Jiang Zemin am Freitag „herzliche Grüße und Glückwünsche“ von Erich Honecker. Jiang Zemin bedankte sich für die „solidarische Haltung der DDR gegenüber den Schritten der KP Chinas bei der Niederschlagung der Unruhen“ - in der Zeit der Prüfung erkenne man seine wahren Freunde.
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