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Selbsthilfe hart bestraft

■ Haftstrafe für ehemaligen Mitarbeiter des Sozialamtes Tempelhof für falsche Abrechnungen / 400.000 Mark Schaden

Wegen Betruges und Veruntreuung von mehr als 400.000 Mark für die Behindertenfürsorge verurteilte eine Moabiter Strafkammer am Montag einen 39jährigen früheren Mitarbeiter des Tempelhofer Sozialamtes zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Aufgrund einer „Fülle von Indizien“, ging das Gericht davon aus, daß der Angeklagte zwischen 1983 und 1987 die Gelder in rund 200 Einzelfällen beiseitegeschafft hatte. Ein mitangeklagter Fuhrunternehmer erhielt eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen Beihilfe. Er muß pro Monat 800 Mark Schadenswiedergutmachung an das Bezirksamt zahlen.

Der frühere Angestellte des Sozialamtes war nach den Unregelmäßigkeiten entlassen worden. Vor Gericht hat er die Vorwürfe bis auf einen Betrag von etwa 20.000 Mark bestritten. Das Gericht vertrat demgegenüber die Auffassung, daß der Mann Gelder für Behindertenfahrten abgerechnet hatte, die tatsächlich gar nicht stattgefunden haben. Die von ihm ausgestellten Belege der Barauszahlungen habe der Angeklagte entweder vernichtet oder den Akten vorübergehend bis zu eventuellen Kontrollen beigeheftet.

Laut Geständnis des Fuhrunternehmers hatte er rund 80.000 Mark an Behindertengeldern kassiert. Welche Summe genau dem anderen Angeklagten zuzurechnen sei, konnte das Gericht nicht exakt feststellen. Mindestens sei es jedoch die Hälfte gewesen. Möglicherweise hätten weitere Mitarbeiter des Bezirksamtes Schweigegelder bekommen. Das sei allerdings, so der Richter, reine Spekulation. Nur aufgrund der unzureichenden Kontrolle durch das Bezirksamt ging das Gericht nicht von einem schweren Fall des Betrugs und der Untreue aus. Der ehemalige Angestellte wurde noch im Gerichtssaal verhaftet. Wegen der hohen Strafe liege ein verstärkter Fluchtanreiz vor. Die bisherige Haftverschonung sei daher nicht mehr zu rechtfertigen.

dpa

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