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Haftbefehl wegen Mißhandlung von Senioren

■ Die Leiterin eines Altenheims im oberbayerischen Garmisch wurde festgenommen / Verdacht auf Mißhandlungen / Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Sommer letzten Jahres / Verstorbene Heimbewohnerinnen wiesen Spuren von Mißhandlungen auf

München (taz) - Gegen die Leiterin eines privaten Altenheims im oberbayerischen Garmisch-Partenkirchen hat die Staatsanwaltschaft München-Land jetzt Haftbefehl erlassen. Die 50jährige Krankengymnastin Gertrud R. wurde festgenommen, da sie unter Verdacht steht, die ihr anvertrauten Senioren mißhandelt zu haben. Aufgrund der Zeugenaussage einer Angehörigen des Pflegepersonals geht die Staatsanwaltschaft davon aus, daß die Altenheimbewohner nicht nur widerrechtlich gefesselt, sondern auch geschlagen wurden.

In die Schlagzeilen geriet das 20-Betten-Heim, als vor kurzem bekannt wurde, daß dort drei alte Frauen unter zunächst mysteriösen Umständen verstarben. Die Leichen der Bewohnerinnen im Alter von 76, 77 und 87 Jahren wiesen Spuren von Mißhandlungen wie Fesselungen und Wundliegen auf. Um festzustellen, ob ein „unnatürlicher Tod vorliegt“, ordnete der Leiter der Staatsanwaltschaft München II, Friedrich Bethke, eine gerichtsmedizinische Untersuchung der Leichen an.

Da die erste der Frauen bereits im August vergangenen Jahres und die letzte im April dieses Jahres verstorben war, kam diese Untersuchung reichlich spät. Bei der Obduktion und dem anschließenden toxikologischen Gutachten konnten daher auch keinerlei Hinweise auf einen unnatürlichen Tod festgestellt werden.

Brisanz erhielten die Todesfälle zusätzlich dadurch, daß die Weilheimer Polizei die Verstorbenen als „potentielle Zeuginnen“ betrachtete, die über die Mißstände im Heim aussagen sollten. Mit dem Fall „St. Martinsheim“ beschäftigt sich die Polizei bereits seit zwei Jahren, und die Staatsanwaltschaft ermittelt schon seit Sommer vergangenen Jahres.

Immer wieder ergaben nämlich die Routinekontrollen des Staatlichen Gesundheitsamtes Garmisch, daß in dem Heim die alten Menschen - milde ausgedrückt - vernachlässigt werden. Zunächst monierte das Amt vor allem die hygienischen Verhältnisse. Anfang des Jahres erhielt die Polizei erneut Hinweise, daß in dem Altersheim Menschen nachts und zum Teil auch tagsüber an Betten und Stühlen gefesselt werden. Zusätzlich wurden den AltenheimbewohnerInnen noch übermäßige Medikamentendosen verpaßt, um sie ruhigzustellen. Daß sich auffallend viele alte Menschen im St.Martinsheim in „einem schlechten Pflegezustand“ befanden, war in Garmisch seit längerem Ortsgespräch.

In dem Skitouristenzentrum gibt es rund elf private Altenheime. Nach der Festnahme von Gertrude R., die anfangs von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte, richteten die Behörden für die 13 alten Menschen, die immer noch im „Haus Martin“ untergebracht sind, einen Notdienst ein.

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