: Jansen fordert Töpfer heraus
Energieminister Jansen: AKW-Entsorgung nicht mehr garantiert / Kiel will sich Bundesweisung verweigern ■ Aus Kiel Jürgen Oetting
Nach dem Aus für die Wiederaufarbeitung in Wackersdorf gibt es nach Auffassung des schleswig-holsteinischen Energieministers Günter Jansen (SPD) keine gültigen Entsorgungsgrundsätze für die Atomwirtschaft mehr. Diese Ansicht untermauerte Jansen gestern mit einem von seinem Ministerium in Auftrag gegebenen Gutachten des Gießener Verfassungsrechtlers Klaus Lange. Nach der Expertise haben die in der Bundesrepublik seit 1980 geltenden Entsorgungsgrundsätze keine rechtliche Bindungswirkung, weil sie weder Gesetze noch Staatsverträge seien. Damit bahnen sich neue Konflikte zwischen Bonn und Kiel in dem Streit um die nördlichen Atomkraftwerke an.
Der Minister wörtlich: „Im Interesse der Menschen bin ich verpflichtet, mit der Bundesregierung auch die verfassungsrechtliche Auseinandersetzung über eine Atomenergiepolitik, die uns alle gefährdet, zu führen.“ Bonn stehe derzeit vor einem entsorgungspolitischen Scherbenhaufen. Jetzt zeige sich deutlich, daß die Entscheidung für die Atomenergie die größte politische Fehlentscheidung in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts gewesen sei. Wiederaufarbeitung im Ausland will Jansen nicht akzeptieren. Die dortigen WAAs unterlägen nicht den Sicherheitsbestimmungen des bundesdeutschen Atomgesetzes und könnten auch nicht nach dessen Kriterien kontrolliert werden. Daher müsse das Entsorgungsproblem im eigenen Lande gelöst werden. Jansen schlug vor, auf der Ministerpräsidenten-Konferenz im Dezember dieses Jahres über einen entsorgungspolitischen Konsens zu verhandeln.
Die SPD-regierten Länder und die SPD-Bundestagsfraktion knüpfen an diesen Konsens für Entsorgung von Atomkraftwerken als wesentliche Bedingung: Es erfolgt ausschließlich eine direkte Endlagerung abgebrannter Brennelemente. Die Endlagerung, so Jansen, dürfe nur auf einen bestimmten Zeitraum der Atommüllproduktion beschränkt sein. Schließlich wolle die SPD zehn Jahre, nachdem sie wieder die Bundesregierung stelle, aus der Fortsetzungen auf Seite 2
Atomkraft ausgestiegen sein. Sollten sich die Ministerpräsidenten im Dezember nicht einigen, erklärte der Minister, werde sich die schleswig-holsteinische Landesregierung nicht mehr an Weisungen aus Bonn halten, die auf den bisherigen Entsorgungsgrundsätzen fußen. Konkret bedeute das, „Entsorgungsnachweise, die in Genehmigungsbescheiden für Kernkraftwerke mit der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf begründet sind, werden in Schleswig-Holstein entgegen der Auffassung von Bundesumweltminister Töpfer nicht mehr anerkannt“.
Allerdings hätte das noch lange nicht das abschalten der Atomkraftwerke zur Folge. Jansen erwartet langandauernde juristische Auseinandersetzungen.
Auf Nachfragen ergänzte der Minister, die Argumentation zur Entsorgung stelle nur einen Teil der Ausstiegsbemühungen dar. Parallel laufen derzeit anlagenbezogene Sicherheitsüberprüfungen. Zum Stand dieser Arbeit äußerte Jansen sich nicht, bislang hieß es aus Kiel immer, diese Arbeiten würden bis 1990 abgeschlossen sein. Aus der Abteilung Reaktorsicherheit des Energieministeriums quillt seit Wochen das Gerücht, das älteste schleswig-holsteinische AKW, die Kiste in Brunsbüttel, werde 1990 vom Netz genommen.
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