PVAP vor der Spaltung?

Polen-Serie Teil VIII: Selbst die Parteizeitung 'Trybuna Ludu‘ fragt: Ist die Einheit ein Relikt?  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

„Rufen Sie uns an, jeden Tag von 9 bis 15 Uhr“, fordert das Zentralkomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) seine GenossInnen über die Parteipresse auf. „Wie soll die Partei unter pluralistischen Bedingungen funktionieren?“ „Viele Parteikreise signalisieren Beunruhigung über den derzeitigen Zustand der PVAP“, meldete die staatliche Nachrichtenagentur 'pap‘. Die Wahlniederlage, der langsame Abfall der Bündnispartner der Partei im Sejm, all dies hat unter Polens GenossInnen zu Unsicherheit geführt. In einer Umfrage der Parteiwochenzeitung 'Polityka‘ sprachen sich denn auch hochrangige Parteifunktionäre für die Einberufung eines außerordentlichen Sonderparteitags, ja, sogar für die Umbenennung der Partei aus. Sozialdemokratischer solle sie werden, fordern führende GenossInnen, und in einer Nachrichtensendung wurde gar die Frage gestellt: Spaltet sich die Partei? Die Pariser Tageszeitung 'Le Quotidien de Paris‘ hatte gemeldet, die Partei werde sich vermutlich in eine zentristische, sozialdemokratische und orthodoxe Richtung aufspalten, als Führer der jeweiligen Flügel nannte sie Ideologiesekretär Marian Orzechowski, Premier Rakowski und OPZZ-Chef Miodowicz. Prompt dementierte ZK-Sprecher Bysztyga im Fernsehen solche Spekulationen.

Und doch fragte nur Tage später das Parteiorgan 'Trybuna Ludu‘: „Ist die Einheit ein Relikt?“ „Man hört in manchen Kreisen der Partei, daß es zur Zeit keine Möglichkeit gebe, in der Partei einen einheitlichen Standpunkt dazu zu formulieren, wie ein neues Sozialismusmodell aussehen soll, ob es tatsächlich neu, nur etwas ausgebessert oder gar nur kosmetisch frisiert sein soll. Die Konsequenz einer solchen Ansicht ist, daß man mit der künstlichen Einheit der Partei Schluß machen und zwei oder drei neue Parteien gründen soll.“ Eine Spaltung wäre aber, findet das Blatt, wenig sinnvoll, da die Spalter kein erkennbar neues Programm hätten: „Es gibt also an der Parteibasis, so genervt, zerrüttet, verloren, häufig empört sie auch sein mag, keine Anzeichen dafür, daß eine Spaltung gerechtfertigt wäre.“ Die Meinungsunterschiede ließen sich nicht auf die Formel Reformer-Reformgegner oder Erneuerer-Stalinisten bringen. Eine Spaltung ebenso wie eine innere Zerrüttung durch Auflösung der Disziplin wäre politischer Selbstmord, warnt die Parteizeitung.

Andere sehen das nicht so. „In der Partei treten große Unterschiede hervor“, befand ein Genosse auf die Anfrage der Zeitung, „es gibt eine sozialistische, kommunistische, sozialdemokratische, christliche und demokratische Strömung in der Partei. Jede von ihnen sollte eine eigene Partei gründen, dann erst kann man von einer Koalition der Linken sprechen.“