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DEN KULTURKAMPF FÜHREN

Das „Kommando Hanna Schygulla“ bereitet „Schlaflose Nächte“  ■ D O K U M E N T A T I O N

Die Künstlergruppe für „einsatzbezogenes Berliner Lokalberühmheitstraining“ (EbLT) hat wieder zugeschlagen. Getreu ihrem Motto „Wer uns nicht kennt, gehört gleich gar nicht dazu“ werden alle aufgeboten, die sich zu kennen verpflichtet sind - rein auroramäßig schon. Wer gäbe nicht eine schlaflose Nacht darum, in ihrem Lichte verweilen zu dürfen? (Na ich! Machs Licht aus, ich will pennen, die letzte Nacht war auch schon kurz! d. säzzer) „Schlaflose Nächte“ - so heißt deshalb auch der neue Testfilm: Wer alle erkennt, hat den großen Dazugehörigkeitspreis gewonnen. Wer niemanden erkennt, muß sich zur Strafe den Film noch einmal angucken. Doch die Berliner Bauchnabelschau ist noch mehr. Enno Bohlmann, unser Sachbearbeiter für anschlagsrelevante Themen und Personen, wurde ein Bekennerschreiben zum Film zugespielt, das wir im folgenden dokumentieren.

Daß der Feind nicht schläft, ist überdeutlich: Überall lauert der unermüdbare Repressionsapparat. Wir gehen davon aus, daß der Kulturkampf in den Metropolen auf allen Ebenen geführt werden muß. Darum ist es notwendig, den bewaffneten Auseinandersetzungen auf der Ebene der Befriedungsstrategie eine gleichberechtigte Aktionsform zur Seite zu stellen, die den Feind mit Ödnis und Langeweile überzieht, ihn einlullt und wegschlummern macht. Kurz: es muß zur Gegenbefriedungsoffensive übergegangen werden, die in einen finalen Einschläferungsakt mündet. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir einen Film mit dem anlockenden, aber irreführenden Titel „Schlaflose Nächte“ auf den kulturell -ideologischen Diskurs losgelassen. Ein Film wie Valium 10 (V-Effekt). Um die volle Dösierung (Dös-Wirkung) zu erzielen, haben wir auf die übliche multikünstlerische Gemengelage Berlins zurückgegriffen, die in ihrer ambitionierten Eitelkeit ein gutes Fundament liefert. Um jegliche Fehlfunktion aus dem Weg zu räumen, haben wir konsequent alles auf Stimmungen, Stimmungen und Stimmungen beschränkt: Resignation, Langeweile, Geistesferne, Weltleiden, Dämlichkeit. Dieses hinraffende Stimmungsgemisch überträgt sich unserem Plan entsprechend auf den Feind. Um diese Stimmungen herum haben wir als permanent präsenten Gehirnzerschlagungseffekt den von allen Beteiligten zur Schau getragenen Hyper-Narzißmus gruppiert: „Ich kann vor lauter Schönheit nicht in den Spiegel schaun. Es blendet so.“

Als definitives Vollstreckungsmittel für das letzthinnige Abtörnen griffen wir zu nervtötenden Dialogen: „Sag mal, findest du misch schön?“ (Sie, natürlich mit französischem Akzent): „Ja.“ (Er, mehr süddeutsch/österreichisch): „Aber wie schön?“ - „Sehr schön.“ - „Ja, aber wie?“ - „Ich find dich sehr, sehr schön.“ - „Nischt mehr?“ - „Hmth, wunderschön.“ - „Ja, das mein isch nisch, findest Du misch wirklich schön oder nur wunderschön?“ - „Mhm, ich find Dich wirklich wunderschön.“

Wer diesen Dialog übersteht, ist spätestens den Monologen schutzlos ausgeliefert: „Überhaupt Japan. Japan. Da wollt ich immer schon mal hin. Könnte ja jederzeit hinfahren. Morgen schon. Also an Geld fehlt's nicht. Ich weiß auch nicht. Ich weiß auch nicht, woran's fehlt. Vielleicht will ich einfach gar nicht. Was mir fehlt, ist eine Notwendigkeit.“

Film ist eine Waffe. Man muß sie nur zu benutzen wissen. Den Kulturkampf an allen Fronten führen. Den Feind totöden.

Kommando Hanna Schygulla

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