: SPD-AL-Koalition unter Strom
■ Rechtsgutachten: Stromlieferungsvertrag kann nicht mehr gekündigt werden Niederlage für Umweltsenatorin Schreyer / AL-Abgeordneter: Gutachten „anfechtbar“
Auf die AL kommt eine Kröte zu, an der sie sich verschlucken könnte. Das mit Spannung erwartete Gutachten über den umstrittenen Stromlieferungsvertrag kommt, wie die taz gestern erfuhr, zu dem Ergebnis, daß der Vertrag bereits rechtswirksam ist und vom Senat nicht mehr genehmigt werden muß. Eine Überprüfung des Vertrages unter energiepolitischen und ökologischen Gesichtspunkten, wie ihn SPD und AL in der Koalitionsvereinbarung verabredet hatten, ist nach Ansicht der Gutachter nicht möglich. Damit hat sich Wirtschaftssenator Mitzscherling (SPD) mit seiner Rechtsauffassung gegen die Ansicht von Umweltsenatorin Schreyer (AL-nah) durchgesetzt. Folge: Der Senat muß die Stromlieferungen aus Westdeutschland akzeptieren, die der Energiekonzern Preußen Elektra im vergangenen März mit der Bewag sowie der DDR-Gesellschaft Intrac vereinbart hatte. Große Teile der AL, die den Vertrag seit jeher ablehnt, sahen hier bisher eine „Sollbruchstelle“ der Koalition.
Das mit dem Rechtsgutachten betraute „Institut für Stadtforschung“ lieferte das 60seitige Werk bereits am Dienstag abend beim Senat ab. Heute abend wollen die Staatssekretäre Groth (Umweltverwaltung) und Rommerskirchen (Wirtschaftsverwaltung) zusammen mit den energiepolitischen Sprechern der Koalitionsfraktionen, Behrendt (SPD) und Berger (AL), über die Konsequenzen beraten. Umwelt- und Wirtschaftsverwaltung hatten bei der Vergabe des Gutachtens vereinbart, sein Ergebnis „politisch zu akzeptieren“.
Die Umweltverwaltung weigerte sich gestern, eine Stellungnahme abzugeben. Sie will das Papier zunächst gründlich prüfen und am Freitag an die Öffentlichkeit gehen. Der AL-Abgeordnete Berger kritisierte dagegen auf Anfrage, das Gutachten sei „in jeder Hinsicht anfechtbar“. Bergers Stein des Anstoßes: Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, das Energiewirtschaftsgesetz erlaube dem Senat lediglich eine Wirtschaftlichkeitsprüfung des Vertrages, nicht aber eine energiepolitische oder ökologische Überprüfung. Bei dieser „reaktionären Interpretation“ hätten sich die Gutachter unter anderem auf einen Gesetzeskommentar des heutigen Bewag-Vorständlers Tegethoff berufen, kritisierte der AL-Abgeordnete. Anders als die Umweltsenatorin sei die Fraktion auch nicht an die Absprache gebunden, das Gutachten zu akzeptieren, meinte Berger.
Hmt
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