: Der Weg und das Ziel
Tempo30: Es geht nicht um wasserdichte Verordnungen ■ K O M M E N T A R
Kann es ein einziges Argument gegen eine Tempobeschränkung vor Schulen und Kindertagesstätten geben, wenn dadurch auch nur das Leben eines Kindes gerettet wird? Es wird. Nicht nur die Gaspedal-Lobbyisten, auch wohlmeinende Verkehrsexperten weisen darauf hin, daß ein simples „Tempo30„-Schild nicht ausreicht, sondern flankierend bauliche Maßnahmen notwendig seien.
Es wird immer einzelne Unbelehrbare geben, die sich auch von Wellpisten und Pollern nicht vom Rasen abhalten lassen. Aber kann die unbedingte Durchsetzbarkeit einer Maßnahme die Grundlage politischen Handelns darstellen? Es darf gerade nicht auf den preußischen Verordnungsstaat gesetzt werden, sondern auf den verständigen und veränderungswilligen Bürger. Am wichtigsten ist der Prozeß, um gesellschaftliche Mehrheiten zu gewinnen. Man mag derzeit noch darüber grübeln, ob es sich bei den bisherigen Maßnahmen - Tempo100 auf der Avus, Busspuren in der City oder Tempo30 vor Kitas und Schulen - tatsächlich um Mosaiksteinchen eines umfassenden Konzepts zum verkehrspolitischen Umbau der Stadt handelt. Doch je kleinteiliger, umso besser. Denn es sind jeweils konkret erfahrbare Bereiche, in denen eine Veränderung passiert. Jeder Berliner ist davon betroffen, jeder kann mitdiskutieren, und jeder kann seinen konkreten Beitrag zur Veränderung leisten. Die Lobbyisten der Vollgas -Ideologie haben sich bei der Avus-Debatte doch damit ins Abseits gestellt, weil jeder die Absurdität ihrer Argumentation nachvollziehen konnte. Bei einem abstrakten Gesamtkonzept wär dies anders. Je komplexer die Materie, umso leichter wären diese „Fachleute“ in der Lage, die Debatte an sich zu reißen. Deswegen ist der richtige Weg: Nicht auf die Verordnung kommt es an, sondern auf die Debatte, die sie entfacht.
Gerd Nowakowski
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