: Mudschaheddin wollen Fakten schaffen
Die USA tragen Mitverantwortung am Blutbad vom Wochenende ■ G A S T K O M M E N T A R
Eine mörderische Rivalität bestimmt derzeit das politische und militärische Handeln der Mudschaheddin in Afghanistan. Fünf Monate nach dem Abzug der sowjetischen Truppen befinden sich die Rebellen in einem beispiellosen Bruderkampf. Gulbuddin Hekmatiar, Chef der fundamentalistischen Hezb-e Islami und Außenminister der Interimsregierung, ließ vergangene Woche ein Gemetzel unter seinen Rivalen von Jamiat-e Islami anrichten. „Blut wird mit Blut beantwortet, und auf dem Schlachtfeld gegen Nadschibullah werden wir die Sieger sein“, drohte daraufhin ein Sprecher der Jamiat-e Islami.
Ob Hekmatiar die Quittung inzwischen bekommen hat, ist unklar, aber „auf dem Schlachtfeld“ gegen Nadschibullah gibt es eine mörderische Konkurrenz: Jede Gruppe der Mudschaheddin versucht, früher „da“ zu sein als die andere, Mittel und Kosten spielen offenbar eine zweitrangige Rolle. Welche Rebellengruppe mit ihren mörderischen Raketenangriffen am Wochenende nun „da“ war, steht zwar nicht fest, für die Zivilbevölkerung, die darunter zu leiden hat, ist dies völlig unerheblich. In der derzeitigen Spirale der Rivalität unter den Mudschaheddin ist die Lage fast unübersichtlich geworden.
Für die Raketenangriffe vom Wochenende tragen aber auch die USA ein erhebliches Maß an Mitverantwortung. Denn obwohl inzwischen erwiesen ist, daß mit den agilen, machtbesessenen und vereinten Mudschaheddin kein Staat zu machen ist, wollen und können die USA offenbar von deren Unterstützung nicht lassen. Neben den massiven Waffenlieferungen hat Washington einen Quasi-Botschafter zu den Rebellen entsandt. Ein einmaliger diplomatischer Vorgang, der die Mudschaheddin ohne einheitliche Kommandoführung zu mehr blinden Aktionen wie die vom Wochenende verleiten wird. Moskau hatte für diesen Monat den Amerikanern ein weiteres Treffen zur politischen Lösung des Afghanistan-Konflikts vorgeschlagen, doch die USA und ihre Verbündeten vor Ort wollen zuvor wohl noch vollendete Tatsachen schaffen, koste es, was es wolle.
Ali Sadrzadeh
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen