: Herrhausen: Diskussion über Bankenmacht unbegründet
■ Bei Begrenzung des Industriebesitzes müßte „Deutsche“ für sechs Milliarden verkaufen
Frankfurt (dpa) - Wie das Ungetüm Nessie tauche das Thema „Bankenmacht“ immer wieder im sommerlichen Nachrichtenloch auf. So unkte vor drei Jahren der Bankenverband in Köln. Tatsächlich steht das Thema auch im Sommer 1989 wieder an. FDP-Chef Graf Lambsdorff gibt Interviews, Hauptversammlungsredner greifen den politischen Zankapfel auf, und Spitzenbankiers kontern. Allerdings wird an der Schwelle der 90er Jahre mit härteren Bandagen gekämpft:
Entzündet hat sich die Diskussion an der schwebenden Großfusion zwischen Daimler-Benz und MBB sowie der Rolle der Deutschen Bank als größtem Anteilseigner. Dabei steht Alfred Herrhausen - Chef der Deutschen Bank und Vorsitzender des Daimler-Aufsichtsrats - als Beispiel der Verflechtung von Großbanken und Großindustrie im Kreuzfeuer der Kritiker. Während er in seiner Empörung die aktuelle Diskussion schon mal als „provinziell, opportunistisch und sachlich völlig unbegründet“ bezeichnet, spricht Bankenpräsident und Dresdner Bank-Chef Wolfgang Röller milder von einem „Klassiker“.
Commerzbank-Chef Walter Seipp: „Dieser Punkt ist für mich keine heilige Kuh.“ Er glaube jedoch nicht, daß die Politiker mit einer derartigen Regelung der deutschen Wirtschaft einen Gefallen tun würden, meinte er zu 'dpa‘.
Bei Sanierungsfällen und Aktieneinführungen - so Seipp weiter - könne ein vorübergehendes Engagement der Banken von mehr als 15 Prozent auch weiterhin erforderlich sein. Bestes Beispiel sei die Firma Linotype, die aus amerikanischem Besitz zwecks späterer Plazierung an der Börse übernommen worden sei. „Eine prozentuale Begrenzung wäre für mich nur bezüglich des Dauerbesitzes denkbar“, betonte der Bankier.
Auch Wolfgang Röller hatte in diesem Zusammenhang bereits betont: „Auch die Frage der Industriebeteiligungen ist kein Heiligtum.“ Er bezifferte die Zahl der Aufsichtsratsmandate der privaten Banken in den 100 größten Industrieunternehmen auf 114 unter insgesamt 1.466. Alfred Herrhausen hatte die Zahl der Kapitalanteile der Banken an Industrieunternehmen, die über zehn Prozent hinausgehen, mit 86 angegeben.
Im Zentrum der Auseinandersetzungen steht der Firmenbesitz der Großbanken, die von dicken Paketen bei Daimler und Karstadt bis zu Mini-Päckchen bei Kleinstfirmen reichen. Geschätzt wird der Anteil der drei Institute (Deutsche, Dresdner, Commerzbank) am gesamten deutschen Aktienbesitz auf drei bis zehn Prozent. Die Bankiers unterscheiden zwischen strategischen Beteiligungen, Notfällen bei Schieflagen (Klöckner, AEG) und reinen Kapitalanlagen.
Nicht nur Politiker befürchten über diese Beteiligungen eine zu große Machtfülle und Einflußnahme der Kapitalseite, die ohnehin als Kreditgeber und Berater in allen wichtigen Aufsichtsräten der Industrie sitzt und an der Kontrolle teilnimmt. SPD, die Grünen und pikanterweise auch die FDP fordern deshalb eine Beschneidung des Firmenbesitzes auf maximal 15 und fünf Prozent des jeweiligen Kapitals. Außerdem soll die Zahl von möglichen Aufsichtsratsmandaten pro Person von zehn auf fünf sinken.
Schon in der Konzentrationsenquete (1964), in einer Studienkommission Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft (1979) und seitens der Monopolkommission wurde der Einfluß der Geldhäuser abgeklopft. Empfohlen wurde auch schon damals eine Begrenzug der Firmenengagements, aber bei diesem guten Rat ist es bisher geblieben.
Experten schätzen den Kurswert der Beteiligungen der Deutschen Bank auf 23 Milliarden Mark, darunter allein das Daimler-Paket auf 8,3 Milliarden Mark. Sie haben auch schon die Milliarden-Summen ausgerechnet, die auf die Börse im Falle einer Begrenzung der Beteiligungen auf 15 Prozent zukommen: die Deutsche Bank müßte Aktien im Kurswert von sechs Milliarden Mark abgeben (darunter allein 3,9 Milliarden Daimler), die Dresdner für 750 Millionen Mark und die Commerzbank für 400 Millionen. Unbeantwortet ist die Frage, wie die Börse das verkraftet und wer die Käufer dieser riesigen Firmenanteile sein werden.
Kartellamts-Präsident Wolfgang Kartte - Befürworter der Beschränkung - rät zu einem langsamen Abbau: „Sonst würde die Börse explodieren“, meinte er. Bankiers warten mit einem weiteren Gegenargument aus ihrer Sicht auf: Sie müßten ihre außerordentlichen Gewinne - also den Wertzuwachs zwischen Kauf und Verkauf - mit 56 Prozent versteuern und würden damit die Hälfte ihres Vermögens verlieren.
Der Chef der Deutschen Bank plädiert eher für die Gegenrichtung. Die zehn größten Banken der Welt seien schließlich Japaner und in Fernost würde darüber kein Wort verloren. Die hiesigen Kreditinstitute seien eher noch zu klein für den weltweiten Wettbewerb.
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