Schwert schneidet Weser durch

■ Münchener Spezialfirma spült bei der Sielwall-Fähre ein Post-Kabelrohr unter der Weser durch

Die Deutsche Post war schon für Lenin das Vorbild, nach dem der Sozialismus organisiert werden sollte: gründlich, sicher, zuverlässig, einfach gut deutsch. Ein derartiges Image bewährt sich vor allem in Kriesenzeiten. Wer will darauf verzichten, vom Ostertor aus mit Oma Irmtraud links der Weser zu telefonieren, wenn in Bremen die Brücken eingestürzt sind? Also können die Leitungen der Deutschen Bundespost nicht, wie einfältige Gemüter vielleicht meinen werden, unter den Brücken die Weser überqueren. Dasselbe gilt bei den Kabeln, die die Qualität der Glotze garantieren - gerade im Krisenfalle könnte ein gutes Bild entscheidend sein.

Aber wie kommen die Postleitungen tiefflieger- und einsturz

sicher über die Weser? Sie werden „durchg'spuit“, sagt der Kranführer Rembeck aus dem niederbayerischen Eggenfelden. Er soll mit einem Dutzend Mann der Münchener Spezialfirma Josef Riepl direkt neben dem Anleger der 'Hal över‘ die Kabel -Kanäle vom Ostertor rüber zum Kleingartengebiet am Kuhhirten verlegen. Nichts wäre einfacher als die Kabel auf den Fluß-Grund zu legen wie die Eisenbahn zwischen Dover und dem Kontinent. Aber: Fünf Meter Erde müssen auf einem Postkabel liegen, wenn darüber eine Bundeswasserstraße geführt ist, so steht es in den Vor

schriftenen zur Sicherheit. Bliebe die Lösung, mit Spundwänden das Wasser aufzustauen, bis der Graben ausgehoben und das Kabel verlegt ist - wenn es sich nicht ausgerechnet um einen Fluß handeln würde, der kommunikativ überwunden werden soll.

Der gordische Knoten wird, klassisch alexandrinisch, mit dem Schwert durchschlagen. Mindestens zehn Meter lang hing es seit Tagen drohend an einem Kranschiff auf der Höhe der Sielwall-Fähre über der Weser. Gestern Mittag ragte nur noch der Schaft aus dem ebbeflachen Wasser heraus: Das Schwert „steckte“ im Flußbett, mehrere Meter tief. Acht Männer standen auf dem Schiff, saßen herum, betätigten hin und wieder einen Hebel oder Knopf. Auf der Neustädter bzw. Kuhhirten-Seite zieht ein 40 Millimeter starkes Stahlseil an dem Kranschiff, Zentimeter für Zentimeter rückt das Schwert vor - nach vielleicht 2 Stunden ist der

Flußgrund durchschnitten.

Nur ein harmloses Motorengeräusch und vergleichsweise kleine Strudel deuten darauf hin, was „durchg'spuilt“ heißt. Rembeck erklärt: An der Ostertor-Seite, wo mit zwei Spundwänden ein klassisches Bauloch ausgeschachtet wurde, hat der Baggerkran das Schwert in den Boden gedrückt, und dann fängt das „spülen“ an. Ein 600 PS-Motor schießt mit einem meterhohen, zehn Zentimeter dicken Wasserstrahl einen Spalt in den Flußgrund und macht damit den Weg frei, und wo das Eisen das Flußbett durchschnitten hat, lagert sich das Bodenmaterial gleich wieder an.

Gestern war Probespülung, d.h. an der vom Schiffahrtsamt bezeichneten Stelle durchschnitt das Schwert probeweise die Weser, um eventuelle Hindernisse aufzuspüren. In ein paar Tagen wird es dann ernst: Hinter dem Schwert werden 5 Meter tief die

Kabel-Kanäle in der Weser versenkt, die zunächst mit Wasser und Ketten beschwert sind. In vierzehn Tagen soll an der Weser entlang nichts Auffälliges mehr zu sehen sein.

Und dann? Der Baggerführer verweist auf die Post. Und der Dienststellenleiter Heuer vom zuständigen Baubezirk 22 der Bundespost will - aus Sicherheitsgründen - nicht mehr sagen als Folgendes: die Kabelkanäle sollen nicht die Kuhhirten -Kleingärten mit dem Ostertor verbinden, sondern dienen dem „überregionalen Netz“. Und außerdem wird erst einmal kein einziges Kabel durch die Kanäle gelegt, der Kanal dient der „vorsorglichen Trassensicherung“. Die Planwirtschaft der Bundespost denkt eben Jahrzehnte im Voraus - s.a. Lenin, a.a.O. Und was nützt uns das? Die Verbindung zu Oma Irmtraud wird durch einen leeren Kabelkanal nicht krisensicherer.

K.W.