piwik no script img

Marathon des Lebens

■ Folkwangstudio auf dem Oldenburger Schloßplatz

Nein, nein, nein, ich will noch nicht...Kleine Fäuste kleben an schleimigen Körpern, beginnen zu greifen, zu begreifen, schlagen um sich, verscheuchen die bösen Geister, die das Leben weckt. Körper brechen aus einer unendlichen Lethargie hervor, tanzen, zittern, stoßen, rennen der Zeit davon, die sie immer wieder einholt. Rennen um ihr Leben. Marathon des Lebens. Extase, nie stehen bleiben, die ewige Suche nach dem...Nach dem was? Geburt, Liebe, Haß, Trauer, Tod, Geburt, Liebe, Haß...Marathon. Und immer wieder von vorn.

Das Stück „Marathon„ des Essener Folkwang Tanzstudios bewegt sich in der Tradition des Ausdruckstanzes, jenes assoziativen Gebärdentanzes, dessen Einflüsse bis in den amerikanischen Modern Dance reichen. Pina Bausch, die vielleicht wichtigste Figur des neuen Tanztheaters, leitet zwar das Folkwangstudio, hat mit der Oldenburger Aufführung am Montag auf dem Schloß

platz aber nichts direkt zu tun, obwohl ihre Arbeit eine ähnliche Handschrift trägt, wie die des „Marathon„ -Choreographen Mitsuru Sasaki. Der Ausdruckstanz entlarvt und stellt bloß und macht bewußt, zeigt die seelische Zurichtung, die auch immer äußerlich, körperlich sichtbar wird. „Irgendwie sind wir schon sehr durchsichtig, wenn wir uns so ansehen. Wie jemand geht oder wie die Leute ihren Hals tragen, sagt doch etwas darüber aus, wie sie leben oder was ihnen geschehen ist,“ sagt Pina Bausch.

Vielleicht war der ursprüngliche Gedanke des Ausdruckstanzes einmal radikaler, als das, was in Oldenburg sichtbar wurde. Immerhin, die ZuschauerInnen können sich amüsiert und fasziniert zurücklehnen und aus der Distanz beobachten, wie die TänzerInnen ihre Seelen entkleiden. Sie wurden nicht angegriffen, eher ergriffen von der Klarheit der Gestik und Bewegung dieses Tanztheaters.

Iko Andrae

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen