: Perlonnachthemd brannte lichterloh
■ Prozeß gegen 57jährigen Musiker, der seine Frau angezündet haben soll / Die Frau erlag nach zwei Monaten ihren Verletzungen
Vor der 28.Strafkammer des Landgerichts muß sich seit gestern ein 57jähriger Orchestermusiker wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten. Der Vorwurf: Er soll seine 56jährige Ehefrau im Oktober vergangenen Jahres mit Brennspiritus übergossen und angezündet haben. Die Frau, die Verbrennungen zweiten bis dritten Grades erlitten hatte, war nach zwei Monaten auf der Intensivstation des Urbankrankenhauses gestorben. Ihr Mann hatte ein halbes Jahr in U-Haft gesessen, bevor er gegen 10.000 Mark Kaution entlassen wurde.
Eva und Henry M. waren seit 1954 verheiratet. Die Ehe wurde von dem Angeklagte gestern als „gut“ beschrieben. Henry M. hatte im Orchester des SFB und RIAS und Theater des Westens viele Jahre Posaune gespielt. Eva M. war Sekretärin, aber nicht berufstätig, weil ihr Mann es nicht wollte. Seit März 1987 war Henry M. arbeitslos. „Es war deprimierend, nichts zu tun zu haben“, begründete er, warum er zu trinken begann. Nachdem er den ganzen Tag zu Hause rumhockte, fingen die Eheleute an, sich gegenseitig auf den Wecker zu gehen. Auch Eva M. begann zu trinken. Es kam zu Rangeleien, aber zu keinen Prügeleien, versicherte der Angeklagte.
Am 23.Oktober waren die Eheleute erst sehr spät aufgestanden und hatten - noch in Schlafanzug, Perlonnachthemd und Bademantel - begonnen, Alkohol zu trinken. Das weitere Geschehen schilderte Henry M. gestern wie folgt: Wie schon häufiger zuvor habe er die zerbrochene Brille seiner Frau mit einem Kleber repariert und zum „Entfetten“ den Brennspiritus benutzt. Kurz darauf sei die Brille wieder kaputt gegangen. Bei seinem erneuten Versuch, sie zu reparieren habe seine Frau gelästert: „Das schaffst du nicht.“ Er habe sich darüber geärgert und dabei die Flasche umgeworfen. Der Spirtus sei seiner Frau auf den Schoß gelaufen. „Du stinkst wie ein Spirtuskocher“, habe er zu ihr gesagt, woraufhin sie erwidert habe, „dann zünd ihn doch an“. Aufgrund seiner alkoholischen Beeinflussung wisse er nicht mehr genau, was nun passiert sei, beteuerte der Angeklagte gestern. Er habe ein Streichholz angezündet. Wirklich anzünden wollen habe er seine Frau aber auf keinen Fall. Beim Anreißen sei ihm das Hölzchen aus der Hand geruscht und seiner Frau auf den Schoß gefallen. Nach Angaben ihres Mannes sah sie völlig apathisch zu wie die Flammen an ihr hochloderten. Weil er das Feuer nicht mit der Hand habe ersticken können, so der Angeklagte, habe er seine Frau ins Badezimmer geschleppt und abgeduscht.
Von Eva M. gibt es nur das Protokoll der polizeilichen Vernehmung auf der Intensivstation. Belastendes geht aus ihm nicht hervor. Allerdings war Eva M. so schwer verletzt, daß sie fast keine der Fragen sofort verstand, und sie nur mit einem Nicken oder Kopfschütteln beantworten konnte. Der Prozeß wird Freitag fortgesetzt.
plu
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