: Solidaritätsgruppen trafen sich in Nicaragua
Am Wochenende fand in Managua das „III. Internationale Treffen der Nicaragua-Solidarität“ statt / Sollen die Solidaritätsgruppen die Wahlkampfkampagne der Sandinisten unterstützen? / Diskussionen um die Wirtschaftspolitik / „Diffuse Stimmung der BRD-Linken“ ■ Aus Managua Ralf Leonhard
„Vorwärts, laßt uns marschieren, Companeros...“, tönte es aus Hunderten von Kehlen im piekfeinen Olof-Palme -Konferenzzentrum von Managua. Das Absingen der Sandinistenhymne gemeinsam mit Regierungs- und Parteivertretern mag vielen der Delegierten von 126 Solidaritätskomitees aus aller Welt einen wohligen Schauer verursacht haben - auch wenn in manchen Gruppen die Revolution längst abgeschrieben ist. Am Wochenende ging in Managua das III. Internationale Treffen der Nicaragua -Solidarität zu Ende. Drei Tage war über die vergangene Arbeit und vor allem die Zukunft der Bewegung diskutiert worden.
Wie soll es weitergehen? Das war die zentrale Frage, die vom „Nicaraguanischen Rat für Freundschaft, Solidarität und Frieden“ (CNASP) ganz deutlich beantwortet wurde. Zunächst gehe es darum, den Wahlprozeß zu unterstützen, und zwar einerseits durch Gegeninformation zu der von den USA gesteuerten Kampagne, die Wahlen in Verruf zu bringen, und andererseits durch „entschlossene materielle und politische Hilfe für die Wahlkampagne der FSLN“. So steht es in einem Dokument, das der CNASP als Basispapier für die Diskussionen vorbereitet hatte. In den Arbeitsgruppen führte gerade dieser Punkt zu Kontroversen. Die Antiimps wollten gar nichts davon hören, einen bürgerlichen Wahlprozeß zu unterstützen; viele andere wiesen darauf hin, daß es schwierig sein würde, für die Partei eine breite Spendenkampagne zu mobilisieren. „Schließlich muß man die Leute bei uns mit unpolitischen, humanitären Argumenten motivieren“, meinte Werner Fröhlich von der österreichischen Brigadenkoordination. Im Abschlußdokument ist denn auch nur von der „Unterstützung des Wahlprozesses des Volkes und der Regierung“ die Rede. Die materielle Hilfe soll vor allem über die zentral gesteuerte Kampagne „Nicaragua muß überleben“ weiterlaufen.
Die Auswertung der vergangenen Erfahrungen in den Arbeitsgruppen lasse Tiefgang vermissen, bemerkte eine bundesdeutsche Delegierte. Andere klagten über Mangel an Informationen. So meinte etwa ein Brite, nach den Zusammenstößen von Nandaime im Vorjahr oder dem Hurrikan im Oktober hätte man schnell viel Information gebraucht, um flexibel reagieren zu können. Ein bundesdeutscher Aktivist hatte dagegen das Problem, die hereinströmende Informationsfülle gar nicht verarbeiten zu können. Das CNASP verwies die Solidaritätsgruppen auf die fremdsprachigen Ausgaben von 'BARRICADA Internacional‘ und den Nachrichtendienst der Agentur 'Nueva Nicaragua‘ (ann). Auch die Botschaften in den jeweiligen Ländern seien als Ansprechpartner denkbar. Diese sind jedoch oft selbst nicht ganz auf dem letzten Stand der Dinge.
In einer der beiden europäischen Arbeitsgruppen herrschte besonderes Interesse für die legale oder illegale Finanzierung der Opposition. Was konkrete Maßnahmen für den Wahlprozeß betrifft, einigte man sich darauf, Persönlichkeiten aus dem kulturellen und politischen Leben Nicaraguas auf Tournee zu schicken, für die Zeit der Kampagne ein europäisches Büro der FSLN einzurichten und Wahlbeobachterdelegationen zu organisieren.
Für die Sandinisten ist die Solidaritätsbewegung ein unentbehrliches Instrument. Ihre „entscheidende Rolle bei der Verteidigung der sandinistischen Revolution“ wird im Diskussionspapier des CNASP deutlich gewürdigt. Daher wurden den Delegierten aus 40 Ländern reihenweise hochrangige Funktionäre vorgesetzt, die Vorträge von hohem Niveau hielten - Generalstabschef Joaquin Cuadra, Wahlratspräsident Mariano Fiallos oder Planungsminister Martinez Cuenca. Letzterer bemühte sich besonders, die rezessiven Wirtschaftsmaßnahmen der letzten Monate im Kontext verständlich zu machen. Daß die geradezu neoliberale Wirtschaftspolitik in Nicaragua der Soli-Bewegung erhebliche Schwierigkeiten macht, geht auch aus einem Thesenpapier deutscher und schweizer Internationalisten hervor. Das der taz zugespielte und vom 30. Mai datierte interne Dokument entspricht „dem Stand der verschrifteten (sic) Diskussion“ und wettert gegen die „diffuse Stimmung der BRD-Linken“. Etwa: „Es ist unser Problem, wenn wir nicht verstehen, weshalb Daniel (gemeint ist der Staatspräsident Daniel Ortega, A.d.R.) in Europa von Demokratisierung und nicht vom Sozialismus redet, wenn er 250 Millionen Dollar braucht.“
In anderen Ländern - in Lateinamerika, aber auch in den USA - spielen derartige Diskussionen über die Politik der FSLN kaum eine Rolle. Dort gilt bedingungslose Solidarität. Für Argentinier etwa, die selbst noch vor kurzem unter einer Diktatur litten und fürchten müssen, daß sich die Militärs erneut an die Macht putschen, muß der Antiimperialismus der Sandinisten ohne Wenn und Aber unterstützt werden. Auch der CNASP, der in Nicaragua die Solidaritätsarbeit koordiniert, hat für derartige Diskussionen nur wenig Verständnis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen