Giftschiff wird zum Dauerbrenner

■ Entsorgung des Unglücksfrachters kann noch Wochen dauern / 100 bis 120 Fässer der gefährlichen Ladung sind „stark verbeult“ / Verunglückter Arbeiter auf der Intensivstation / 2.000 Liter Gift abgepumpt

Brunsbüttel (taz) - Die Entsorgung des niederländischen Giftfrachters „Oostzee“ mit 4.000 zum Teil leckgeschlagenen Fässern Epichlorhydrin an Bord wird immer schwieriger. Die Pläne zur Bergung ändern sich fast täglich. Neuester Plan: Die „Oostzee“ soll nicht nach Brunsbüttel zurückgeschleppt, sondern auf der Neufelder Reede entladen werden.

Der Geschäftsführer der Hamburger Bergungsfirma, Klaus Herz, schätzte gestern, daß das Löschen der Ladung noch zwei volle Wochen dauern könnte. Hafenkapitän Horst Dietze räumte ein, daß es neue Probleme mit der Entgiftung des Schiffs gebe. „Wie lange das noch dauert, kann ich nicht einmal schätzen“, sagte Dietze zur taz.

Die Konzentration an gasförmigem Epichlorhydrin im Schiffsinnern ist während der Entlüftungsaktion auf der Elbe -Reede Neufeld noch nicht genügend abgesunken. „Das Schiff kann so nicht wieder in den Hafen von Brunsbüttel geschleppt werden“, sagte der Greenpeace-Chemiker Klaus Lanz, der inzwischen dem Krisenstab angehört. Greenpeace warnte erneut vor der Gefährlichkeit der Entsorgungsoperation. Zwar sei eine Explosion des Frachters nicht mehr zu befürchten, aber die Toxizität der Chemikalie bedeute immer noch eine große Gefahr. Die Umweltschützer forderten den Einsatz eines unabhängigen Chemikers vor Ort, der verläßliche Daten über die Situation im Schiffsinneren liefere.

Gegenwärtig arbeiten 16 Bergungsexperten auf der Neufeld -Reede, wenige Kilometer von Brunsbüttel entfernt, schichtweise rund um die Uhr. 2.000 Liter eines Gemisches aus Epichlorhydrin und Wasser sind inzwischen aus dem Schiffsbauch abgepumpt worden. Wieviele Fässer tatsächlich undicht sind, ist nach wie vor unklar. Es sind auf jeden Fall mehr als bisher angenommen. Hafenkapitän Horst Dietze berichtete gestern von 100 bis 120 Fässern, die „stark verbeult“ seien. Einige sind „ganz platt“, aber nicht alle verbeulten Fässer sind auch leckgeschlagen.

Ein Mitglied der Bergungscrew, das am Montag, wie berichtet, mit schweren Vergiftungserscheinungen ins Brunsbütteler Krankenhaus eingeliefert wurde, liegt weiter auf der Intensivstation. Über seinen Zustand wollte das Krankenhaus keine Auskunft geben. Der Mann hatte sich ohne Atemschutz auf dem Achterdeck befunden, als sich das Schiff im Wind drehte und die Gase aus der Entlüftung zum Achterdeck getragen wurden.

Scharfe Kritik am Verhalten von Behörden und Unternehmen übte gestern der Kieler Toxikologe Otmar Wassermann. Es sei wegen der Gefahren für die Bevölkerung ein gefährlicher Leichtsinn, die Giftfässer im Elbehafen von Brunsbüttel entsorgen zu wollen.

Sonia Schinde