piwik no script img

SANSIBAR IST ÜBERALL

■ TAARAB ALL STARS im Tempodrom

Umsonst und draußen ist schon mal immer ein überzeugendes Argument, um auf Konzerte zu gehen. Auch wenn man keine Ahnung hat, wer eigentlich spielt.

Nachdem wir nun endlich begriffen haben, was RAI ist, war am Mittwoch abend im knackevollen Tempodrom dann die Einführung in die TARAAB Musik. Von ehemaligen Mathenachhilfelehrern bis hin zur Arzthelferin des Hautarztes war wieder mal alles vertreten, was sich umsonst und draußen einen reizenden Abend sichern wollte. Mit TAARAB. Sanft-sansibarisch.

Die TAARAB ALL STARS, die schon optisch einfach überzeugend waren, hatten leider noch etwas Probleme mit dem Sound, Mr. Feedback meldete sich des öfteren, und die Gitarre saß auf einem anderen „a“ als der Baß, aber das störte nicht im geringsten. Man sah ihnen einfach den Spaß an der Musik an, was in deutschen Konzertsälen eine Seltenheit ist. Die Melodien enden für ein europäisches Ohr immer total, aber das isses ja auch, was sich gut anhört.

Eine Ringelhose aus Darmstadt versucht lächelnd neben dem grünen Gatter den Takt zu halten, und unschwer kann man aus der Menge einige Bauchtanzschülerinnen erkennen, die sich versonnen im Takt wiegten. Die Musik bewegt sich auf seltsame Art zwischen Wiener Cafehaus-Musik und dem Orientexpress.

Und das machte sie auch für die meisten Zuschauer so leicht bekömmlich. Die unaggressive Stimmung hatte eine schwer kommunikationsfördende Wirkung. (Das Bier mit meinem Mathelehrer konnte ich mir jedoch noch verkneifen.) Auch der einsame Transi am Tresen fand nach zwei Stunden Lächeln-am -Stück einen kurzweiligen Zeitvertreib. Im Gegensatz zur schwatzenden Meute um Tresen und Toiletten eine bewegte Menge vor der Bühne. Enthusiasmiert und euphorisch wurde im Takt (in welchem bloß) geklascht, der Oberkörper hin- und hergewogen. Der lachende Baßist (dem die Hardcore-Jazz-Jam -Session voll und ganz zuzutrauen wäre) lachte noch mehr, der Gitarrist schien sich an seine Santana-Platten erinnern zu können, und die drei Geiger taten noch mal ihr Bestes für die Cafehäuser.

Und dann kam nochmal sie: Kikude Baraka. Zwischen 60 und 80Jahre alt soll sie sein und Vulgäres singen (was ich nun wirklich nicht beurteilen kann...). Souverän in rot und gold glänzend erhob sich eine gewaltige Stimme über die Ringelhosen und Mathelehrer. Und die gaben ihr Bestes, verständnisvoll dreinzuschauen, den Takt hinzukriegen oder zumindest so zu tun als ob. Ist ja auch schon mal was. Und umsonst und draußen.

Tine Wagnis

Bis Sonntag jeweils 21.30Uhr im Tempodrom.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen